Leben im und vom Müll

© Bistum Speyer

Payatas, ein Stadtteil von Quezon City im Großraum Manila, ist eine Siedlung direkt am Fuße eines riesigen Müllberges, von dem die Menschen hier leben. Etwa 2.000 Müllsortierer sind bei der Betreibergesellschaft des Müllberges registriert. Sie durchsuchen die rund 1.200 Tonnen Müll, die täglich auf dem Berg von Trucks abgeladen werden, nach Verwertbarem. In den Hütten und Behausungen am Fuße des Berges arbeiten viele weitere „Müllmenschen“, die all das recyceln. Sie verkaufen es an die sogenannten Junkshops zur weiteren Verwendung – ca. ein Drittel des Mülls kann so recycelt werden, die restlichen zwei Drittel verbleiben auf der Müllhalde.

Auf der Müllkippe: Die Trucks bringen den Nachschub für die Müllsortierer. © Bistum Speyer

Auf der Müllkippe: Die Trucks bringen den Nachschub für die Müllsortierer. © Bistum Speyer

Zum Abschluss unserer Delegationsreise treffen wir hier Daniel Pilario (54). Der Vinzentinerpater, der zum Monat der Weltmission auch im Bistum Speyer zu Gast sein wird, ist Theologieprofessor. Mit seinen Studenten geht er immer auch in diese Siedlung, denn er ist der Überzeugung, dass sich Theologie direkt am Menschen orientieren muss. Jeden Sonntag feiert er in verschiedenen Kapellen in Payatas Gottesdienst. Frater Danny erzählt uns, dass hier früher ein großes tiefes Tal war. Nun bedeckt der Müll ca. 20 Hektar Land. Seit den 70er Jahren wird hier in der sogenannten „Dumpsite“ Müll abgeladen. Bis zu 500.000 Menschen sollen hier leben. Der Müllberg dehnt sich unaufhörlich aus und verschlingt immer mehr Teile der Siedlung.

Daniel Pilario (rechts) erklärt Gabriele Heinz, Weihbischof Geogens (Mitte) und Michael Krischer von Missio, wie in Payatas gearbeitet wird. © Bistum Speyer

Daniel Pilario (rechts) erklärt Gabriele Heinz (Bistum Speyer), Weihbischof Geogens (Mitte) und Michael Krischer von Missio, wie in Payatas gearbeitet wird. © Bistum Speyer

Die Katastrophe

In einem anrührenden Theaterstück am Vorabend im Gottesdienst der Gemeinde, den wir mitfeiern durften, hatte eine Gruppe Jugendlicher die Geschichte von Payatas und einem schrecklichen Unglück im Jahr 2000 dargestellt. Rund 300 Menschen wurden damals von einer Mülllawine verschüttet und getötet, weitere 300 bis 500 wurden niemals wiedergefunden. Dieses Unglück hatte auch die Regierung aufgerüttelt – sie beschloss, den Müllberg zu schließen, doch kurz danach wurde er wieder eröffnet. Das Geschäft mit dem Müll ist lukrativ. Wäre eine Schließung nicht das Richtige? Frater Danny erklärt uns: „So einfach ist das nicht. Es gibt hier kein Schwarz oder Weiß. Einerseits sind mit diesem Müllberg starke gesundheitliche Gefährdungen verbunden, andererseits verlieren die Menschen dann dort ihre Jobs, ihre jetzige Lebensgrundlage.“ So fordert er von der Regierung die Errichtung eines neuen Müllbergs – einer, der sicher ist, denn auch der jetzige kann jederzeit abrutschen. Außerdem liegt er in direkter Nachbarschaft zu dem größten Trinkwasserreservoir von Quezon City. Pilario unterstützt auch diejenigen, die eine Schließung des Müllberges fordern, weil sie gesundheitliche Schäden befürchten, bei ihrer Klage gegen die Betreibergesellschaft.

Propagandabild …

Frater Danny zeigt uns die „beiden Seiten“ der Müllberges: Zuerst fahren wir zum Besucherzentrum der Betreibergesellschaft IPM Inc., das auf der alten jetzt renaturierten Müllkippe direkt neben dem jetzigen Müllberg liegt. Die private Firma, die im Auftrag der Stadt den Müllberg betreibt, präsentiert uns in einem Werbefilm ein vorbildliches Müllentsorgungsprogramm, zu dem auch Wohnungs-, Bildungs- und Freizeitangebote für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören. Nach dem Werbefilm werden wir auf eine Aussichtsplattform gefahren, von der wir die Arbeit der Müllverwerter beobachten können. Soweit wir es sehen können arbeiten sie – anders als im Werbefilm – nicht mit Schutzkleidung oder Mundschutz. Im Jahre 2017 soll die Müllhalde angeblich geschlossen werden. Auf unsere Nachfrage gesteht die Mitarbeiterin der Betreiberfirma allerdings, dass sie noch auf der Suche nach einem neuen geeigneten Platz seien.

… und Wirklichkeit

Unseren Rundgang „durch die Realität“ beginnen wir an der St. Antonius Kapelle. Diese Kapelle wurde hier vor wenigen Jahren neu errichtet, die alte musste dem anwachsenden Müllberg weichen. Letzte Woche hatten hier 30 Familien Unterschlupf gefunden, als das Wasser nach starkem Regen hüfthoch in den Behausungen stand. Noch immer sind die Pfade durch die Wellblechhütten und Häuschen aufgeweicht. Der Müll, auf dem wir gehen, ist vollgesogen von Schlamm. Es hat die ganze Nacht geregnet. Jetzt scheint die Sonne durch eine graue Wolkenschicht, die Luft ist schwülwarm und ein Geruch nach Fäulnis und Verwesung liegt über Payatas.

Balance über den stinkenden, braunen Abwasserkanal. © Bistum Speyer

Balance über den stinkenden, braunen Abwasserkanal. © Bistum Speyer

Schweinezucht und Schaumstoffverwertung

Inday (57 Jahre), eine Müllsammlerin erzählt uns in der Kapelle von ihrer Arbeit als Müllsammlerin. Als ihr Mann lungenkrank wurde und nicht mehr für den Lebensunterhalt der Familie sorgen konnte, begann sie hier zu arbeiten. Sie sammelt Essensreste zur Fütterung von Schweinen, die sie wiederum verkaufte um selbst etwas zu Essen für die Familie zu haben. Sie sagt mit fester Überzeugung: „Ich habe beim Müllsammeln Jesus gesehen“, denn als sie einmal ein Truck mit Müll überschüttete, wurde sie wie durch ein Wunder gerettet.

Ein Stück weiter schnipseln eine Frau und ein Mann Schaumstoffreste klein, die für Kissen wiederverwendet werden. In einer anderen Hütte aus Wellblech schneiden Männer alte Matratzen auf, die sie erneuern und mit neuem Stoff, den sie kaufen müssen, beziehen. Die Matratzen werden überall auf den Philippinen verkauft. Wilfredo, der hier seit 15 Jahren arbeitet, sagt uns, dass sie etwa eine Stunde für eine Matratze brauchen. Ungefähr 700 Pesos (ca. 13 Euro) erhalten sie für diese fertigen Matratzen. Und wir begegnen Fenny. Sie reinigt Plastik: Erst muss das Plastik durch Öl, dann wird es mit Wasser ausgewaschen. Sie erhält umgerechnet etwa 20 Cent pro Kilo. Ein kleiner Bach mit stinkendem, schmutzig braunem Wasser fließt zwischen dem Müllberg und den ärmlichen Hütten. Die Menschen hier leben mitten zwischen dem Müll, den sie recyceln – ein Bild, dass uns so schnell nicht loslässt.

Für die Reisegruppe war dies die letzte Station ihrer Philippinenreise. Am Sonntagnachmittag sind die Pfälzer und die Vertreter von Missio München wieder in ihrer Heimat angekommen.

Von Maria Weisbrod und Christine Wilke-Zech, Bistum Speyer

Hier finden Sie alle Beiträge des Reisetagebuchs im Überblick.

Über die Reise

Seit dem 15. August ist eine achtköpfige Gruppe aus dem Bistum Speyer für zwei Wochen unterwegs auf den Philippinen. Zusammen mit dem katholischen Hilfswerk Missio werden die Pfälzer Projekte und Partner des Hilfswerks besuchen und sich über das Engagement der Kirche in dem Inselstaat informieren. Die Reise dient der Vorbereitung des Monats der Weltmission im Oktober, bei dem in diesem Jahr die Philippinen im Mittelpunkt stehen. Die bundesweite Feier zum Sonntag der Weltmission findet am 23. Oktober im Speyerer Dom statt.

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