Die großen Leistungen der Kleinen

Mit Schwester Mercedes und Generalvikar im Haus für ledige Mütter und ihre Kinder. © Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Erzbischof Schick hat die Kirche in Mauretanien besucht und berichtet über seine Begegnungen und Einsichten.

In Politik, Wirtschaft und im gesellschaftlichen Leben allgemein sind die Großen oft so groß, dass die Kleinen gar nicht mehr wahrgenommen werden. Diese Gefahr besteht auch in der Kirche. Die katholische Kirche in Mauretanien gehört gewiss zu den ganz Kleinen. Die „Islamische Republik Mauretanien“ ist flächenmäßig ein riesengroßes Land, in dem nur sehr wenige Menschen wohnen, zwischen vier bis fünf Millionen. Sie bekundet nach außen, dass sie zu 100 Prozent von Muslimen bevölkert ist. In diesem Land gibt es aber eine kleine katholische Diözese, die Großes leistet. Zu ihr gehören drei- bis viertausend Katholiken. Sie wirkt in sechs Pfarreien, in denen 12 Priester und zirka 30 Ordensfrauen tätig sind.

Viele Katholiken sind Flüchtlinge, die über die nahegelegenen Kanaren nach Spanien wollen oder nach Libyen, wo sie dann nach Italien übersetzen können. Etliche von ihnen stranden in Mauretanien, weil sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht weiterkommen oder -wollen. Andere sind aus ihren umliegenden afrikanischen Heimatländern aus unterschiedlichsten Gründen nach Mauretanien gekommen, versuchen Fuß zu fassen und ein neues Leben zu beginnen.

Es ist erstaunlich und bewegend, mit welcher Selbstverständlichkeit die Kirche dort, ohne wichtig zu tun, noch zu jammern, ohne viel zu fragen und zu berechnen, ihre vielfältigen Dienste an den Christen und ebenso an den hilfsbedürftigen Muslimen tut, von denen es immer mehr gibt. Vor allem in den drei Zentren Mauretaniens, in der Hauptstadt Nouakchott sowie in den Städten Atar und Nouadhibou ist die Kirche lebendig und tätig. Sie feiert die Eucharistie, tauft, firmt, spendet das Bußsakrament. Die Gläubigen unterschiedlicher Herkunft bringen ihre Volksfrömmigkeit mit und feiern diese, zum Beispiel den Kreuzweg, Marienprozessionen etc.

Die Christen dort – und die meisten sind nur auf Zeit im Land – erfahren in den Gottesdiensten Kraft für ihr oft äußerst schwieriges Leben. Sie erhalten materielle Hilfe, Trost in Leid und durch die Verkündigung Orientierung für ihr Verhalten. Die Eltern wollen auch den Schatz des Glaubens an ihre Kinder weitergeben. Ich konnte an Katechesen sowie an Erstkommunion- und Firmvorbereitungen teilnehmen und miterleben, wie viele Frauen und Männer sich für ihre Kirche und die Weitergabe des Glaubens einsetzen. Das kirchliche Leben spielt sich ausschließlich in geschlossenen kirchlichen Räumen ab. In der Öffentlichkeit können die Christen nicht auftreten. Evangelisierung geschieht durch das Leben und Wirken der Christen in der Gesellschaft.

Heilige Messe. © Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Heilige Messe. © Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Wie die Katholiken sind auch die Priester und Ordensleute aus dem Ausland nach Mauretanien gekommen, um dort ihren Mitchristen und ebenso den hilfesuchenden Muslimen spirituell und materiell beizustehen. Die Priester sind aus dem Senegal und aus Indien. Bischof Martin Happe ist ein Deutscher aus dem Orden der Weißen Väter/Afrikamissionare. Er wirkt seit 23 Jahren in Mauretanien. Er ist ein großer Kommunikator, humorvoller Mensch und erfolgreicher Netzwerker. So sorgt er für eine positive Stimmung unter den Christen. Er kümmert sich um den Lebensunterhalt der Priester und Ordensleute sowie um die finanzielle Basis ihrer Aktivitäten und um die Gebäude; die Mittel kommen fast ausschließlich aus dem europäischen Ausland.

Bewundernswert sind vor allen Dingen die Ordensschwestern, die aus Spanien, dem Libanon, aus Uganda und vor allem aus Indien kommen. Die Schwestern unterhalten Kindergärten, die sehr gefragt sind, die Mehrzahl der Kinder (80 Prozent und mehr) sind Muslime. Es gibt Caritasstationen, in denen Schwestern Medikamente und Nahrungsmittel an die verteilen, die oft nicht wissen, wie sie den Tag überleben sollen. Eine Schwester geht auch ins Gefängnis, in dem viele Flüchtlinge und Gestrandete landen, weil sie wegen Diebstahls und anderer krimineller Akte verurteilt wurden.

Andere Schwestern führen ein Heim für Kinder mit Behinderung und ein Haus für ledige Mütter und ihre Kinder. Die Caritas Mauretaniens unterhält ein Ausbildungszentrum für Automechaniker, Elektriker und Schreiner sowie für Friseurinnen und vermittelt Computerkenntnisse. Sie will vor allem Jugendlichen aus prekären Verhältnissen eine Ausbildung ermöglichen, damit sie einen Beruf erlernen, der ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.

Auch um die hungernde Bevölkerung, die wegen des Klimawandels im Inneren des Landes nicht mehr leben kann und in die großen Städte flieht, sorgt sich die Caritas. Unabhängig von Rasse und Religionszugehörigkeit verteilt sie Nahrungsmittel und hilft, landwirtschaftliche Projekte da neu zu beginnen, wo es noch Wasser gibt.

Mauretanien – eine Kirche, die unserer Unterstützung bedarf, von der wir aber auch lernen können: Vor allem die Selbstverständlichkeit, Gelassenheit, Zuversicht und Freude, mit der sie ihren Dienst des Gottesdienstes, der Verkündigung und der Caritas tut.

Von Erzbischof Dr. Ludwig Schick

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