Kommt Bewegung in die internationale Klimaschutzpolitik? Der Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015 hatte sich auf die Reduzierung der Erderwärmung auf zwei, besser noch, eineinhalb Grad verständigt. Die ermutigenden Vereinbarungen wurden von allen Teilnehmerstaaten unterschrieben. Ein Jahr später in Marrakesch: 47 besonders durch die Klimaerwärmung bedrohte Länder der südlichen Hemisphäre wollen ihren Energiebedarf zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien decken. Es sind vor allem arme Länder, die hier eine moralische Führungsrolle übernehmen. Und Europa? Die USA? Werden wir durch Trump einen Rollback erleben? Und wird sich die EU aus ihrer Halbherzigkeit befreien können? Was bedeutet Schöpfungsverantwortung für die Kirche?
Bischof Gebhard Fürst: Eine Frage der Glaubwürdigkeit für Christen
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart erarbeitet seit Beginn 2016 ein „Integratives Klimaschutzkonzept“. Dieses ist verbunden mit der Klima-Initiative, die Bischof Gebhard Fürst 2007 für die Diözese initiierte. Es geht im Wesentlichen um die Erstellung einer Energie- und CO2-Bilanz der Diözese, um die bessere Nutzung erneuerbarer Energien und um einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Energie- und CO2-Bilanz. Denn der globale Klimawandel sei die wohl umfassendste Gefährdung der Lebensgrundlage der heutigen und kommenden Generation, sagte Bischof Fürst am 14. Juni bei der Vorstellung des „Integrierten Klimaschutzkonzepts“ in Rottenburg. „Es ist die zentrale Frage der Glaubwürdigkeit für Christen, wie weit der Glauben an einen Schöpfergott in konkretes, umweltgerechtes Verhalten umgesetzt wird“, betonte er.
Papst Franziskus: Die Perspektive der Armen einnehmen
Neben diesen notwendigen Schritten lädt uns Papst Franziskus ein, den Blick auf die tieferen Ursachen und inneren Zusammenhänge zu richten, die schon jetzt Millionen Menschen um ein würdevolles Leben bringen und die das Leben der Menschheit insgesamt in Gefahr zu bringen drohen. Ein Blick von „außen“, von den „Rändern der Welt“, auf unsere europäische Kosmovision, unsere Art zu leben, zu wirtschaften, zu denken, zu glauben und zu handeln, kann uns helfen, unsere eigenen blinden Flecken und Sackgassen – sowohl individuell als auch als Kirche – als solche zu erkennen. Aus der Perspektive der „Müllmenschen“, so der Papst, verschieben sich die Prioritäten.
„Gerechtigkeit – Frieden – Bewahrung der Schöpfung“ ist das Leitthema der ökumenischen Bewegung spätestens seit der Vollversammlung des Weltkirchenrats 1983 in Vancouver. Es ist nun an der Zeit, diese Themen immer mehr zusammenzudenken und als Einheit zu begreifen. Klimawandel, Hunger, Fluchtursachen, Waffenexporte und generell die Verwüstung der Erde sowie die Verrohung und Spaltung der Gesellschaften. Zu jedem der Einzelthemen wissen wir eigentlich alles – doch was hilft das?
In „Laudato si’“ weist Papst Franziskus auf die Zusammenhänge und Ursachen hin und erinnert an die ganzheitliche, biblische Perspektive: Angefangen von der Ursünde wie Gott sein zu wollen, dem Tanz um das Goldene Kalb, dem Turmbau zu Babel und der Botschaft der Propheten: Die in jedem Menschen innewohnende Versuchung, mehr sein und haben zu wollen als der andere, sich selbst und seine eigenen Interessen zum obersten Maßstab zu machen und selbstgeschaffene Götter anzubeten, führt zum Bruch der Menschen untereinander, mit der Schöpfung und mit Gott.
Ein „Weiter so!“ geht nicht – Umkehr ist „überlebensnotwendig“
Eine kleine Delegation unserer Diözese war im Dezember 2015 zu Gast auf der Weltklimakonferenz in Paris. Trotz vieler guter Absichtserklärungen stellten wir folgende Frage: Wurde auch überlegt, ob die beschlossenen Klimaziele innerhalb der real existierenden und globalen Wirtschaftsordnung überhaupt je erreicht werden können?
Stattdessen gehen der Weltklimarat und selbst die meisten Vertreter der Zivilgesellschaft von einem weiteren Wachstum aus, weil nur so die wirtschaftlichen Aufwendungen finanzierbar seien. Die Frage des Klimawandels wurde zudem sehr isoliert betrachtet, fast die gesamte Diskussion reduzierte sich auf die CO2-Frage. Und diese könne man ja wohl technologisch in den Griff bekommen, sie sei beherrschbar und machbar. Der Wachstums- und Machbarkeitswahn scheint ungebrochen…
„Erkennen wir, dass dieses System die Logik des Gewinns um jeden Preis durchgesetzt hat, ohne an die soziale Ausschließung oder die Zerstörung der Natur zu denken? Wenn es so ist, sagen wir es unerschrocken: Wir wollen eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht mehr hinzunehmen; die Campesinos ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht … Und ebenso wenig erträgt es ‚unsere Schwester, Mutter Erde‘, wie der heilige Franziskus sagte.“ (Papst Franziskus, 2. Welttreffen der Volksbewegungen in Bolivien, 9. Juli 2015)