Die Botschaft ist erschreckend: Jeder Zweite fühlt sich angesichts der vielen Muslime in Deutschland manchmal wie ein Fremder im eigenen Land. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Leipzig. Feindschaft und Vorurteile gegenüber Minderheiten wachsen – das beobachten auch wir Bischöfe und heben mit Sorge hervor: Das christliche Menschenbild lässt keinen Rassenhass und keine Menschenverachtung zu.
Leider sind die islamistischen Terroranschläge in Frankreich, Belgien und vielen weiteren Ländern Europas und des Nahen Ostens Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die die Forscher der Universität Leipzig zur „enthemmten Mitte“ – so der Titel der Studie – zählen. Dabei können Muslime wie Christen aus ihrem Glauben heraus Anwälte des Friedens sein. Dazu brauchen wir das Gespräch miteinander: einen interreligiösen und interkulturellen Dialog über die Grundlagen unseres Zusammenlebens und die verbindenden Werte unserer Religionen. Der Geist des Evangeliums ist ein Geist des Dialogs, der in Wahrheit und Liebe geführt werden soll.
Christliche und muslimische Experten aus Deutschland, Mali und dem Libanon werden diesen Dialog auf der „Jahrestagung Weltkirche und Mission“ in Würzburg führen. Sie kommen zusammen und diskutieren Fragen nach Frieden und Gewalt, nach dem Verhältnis von Dialog und Mission sowie nach den Chancen und Grenzen des Dialogs.
Der Geist des Evangeliums ruft uns auf, Fremdes und Anderes zu prüfen, zu reinigen und zu integrieren und dabei das eigene Bewährte und Gute weiterzuführen und dafür zu werben. Insbesondere die Konzilserklärung „Nostra aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen erinnert uns an diese Verpflichtung. Alle Gläubigen – ob christlich oder muslimisch – sollten sich „aufrichtig um gegenseitiges Verstehen“ bemühen und gemeinsam eintreten „für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (Nostra aetate 3).
Was für ein Geschenk an die Kirche haben die Konzilsväter uns hier mit Nostra aetate hinterlassen! Wenn wir diese Botschaft ernst nehmen, dann ist der interreligiöse Dialog keine Option sondern, wie Papst Benedikt 2005 bei seiner Begegnung mit Muslimen in Köln gesagt hat, „eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt“.
Von Erzbischof Dr. Ludwig Schick
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