Vergrabene Schätze?

Für viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche ist Papst Franziskus, seine Authentizität und die Klarheit und Relevanz seiner Worte und Gesten, ein Geschenk. „Seit vielen Jahren bin ich wieder stolz, katholisch zu sein.“ So drückte ein Pfarrgemeinderatsvorsitzender seine Freude über die Schreiben des Papstes aus. Mit drei Dokumenten hat uns der Papst einen echten Schatz geschenkt.

Die Freude des Evangeliums hat für Franziskus „eine programmatische Bedeutung“ für „eine pastorale und missionarische Neuausrichtung“. Hat das Schreiben die konkrete Pastoral der deutschen Kirche inspiriert? Würde der Prozess der Zusammenlegung von Gemeinden nicht eine andere Dynamik entwickeln, wenn Diözesangremien und Pfarrgemeinderäte mit dem Studium von Evangelii Gaudium starteten, um auszuloten, was von der Vision des Papstes für uns relevant ist? Und erst, wenn klarer ist, was für eine Kirche wir eigentlich sein wollen, zu fragen, wie unsere Ressourcen diesem Ziel dienen können.

Wohl kein anderes kirchliches Dokument hat so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt, wie die Umweltenzyklika Laudato Si´. Diese einmalige Synthese von wissenschaftlicher Sachlichkeit, ethischer Reflexion und spiritueller Tiefe hat viele Menschen, besonders außerhalb der Kirche, begeistert. Gewiss, es gab Artikel in Kirchenzeitungen, Veranstaltungen in Bildungsstätten, Informationsabende in Pfarreien. Aber hat das zu Konsequenzen geführt: einer Überprüfung der Energiebilanz der Gemeinden, strikten Umweltkriterien für kirchliche Anlage- und Beschaffungspolitik, einem einfacheren Stil bei kirchlichen Veranstaltungen …? Wo sind Hirtenbriefe, die uns an die Verantwortung für unseren bedrohten Planeten erinnern und etwas von der tiefen Schöpfungsspiritualität der Enzyklika nahe bringen?

Schließlich ist da die Zusammenfassung der Familiensynode Freude der Liebe, ein delikater Balanceakt zwischen den hohen Idealen christlicher Ehe und der Notwendigkeit kirchlicher Barmherzigkeit angesichts des Scheiterns vieler Ehen. Nur wenige Christen werden den schwierigen 240-Seiten-Text lesen. Sie warten auf pastorale Orientierungshilfen ihrer Bischöfe, wie die Ideale christlicher Ehe und Familie einer jungen Generation neu zu vermitteln sind und wie auch diejenigen, die daran gescheitert sind, „in einer objektiven Situation der Sünde … in der Gnade Gottes leben“ können.

Papst Franziskus stellt die richtigen und wichtigen Fragen. Er gibt keine vorgefertigten universellen Antworten. Er lädt die Ortskirchen ein, im Lichte des Evangeliums „bessere inkulturierte Lösungen“ zu suchen. Tun wir das?

Von Pater Wolfgang Schonecke

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Der Afrikamissionar Pater Wolfgang Schonecke führt seit 2008 das Berliner Büro des Netzwerks Afrika Deutschland (NAD). Der Ordensmann war lange Jahre in der Pastoral in Uganda tätig. Von 1994 bis 2001 leitete er die Pastoralabteilung bei der ostafrikanischen Bischofskonferenz.

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