Nach intensiven Kar- und Ostertagen mit langen Liturgien (drei Stunden am Karfreitag, dreieinhalb Stunden in der Osternacht) hat uns der Alltag in der Basse-Kotto rasch wieder eingeholt: angespannte Stimmung, Misstrauen zwischen den beiden verfeindeten Rebellengruppen.
Am Donnerstag der Woche nach Ostern wollte ich in einer unserer Außenstationen nahe Mobaye Gottesdienst feiern. Unser Präfekt war mit dabei.
Als wir an der kleinen Kapelle des Ort namens Mbissoula ankommen, muss ich feststellen, dass nur der Katechist und ein älterer Mann auf uns warten. Seltsam. Die Leute bleiben daheim? – Kurz darauf erklärt uns der Katechist die Situation: Gestern haben die Anti-Balaka-Milizen des Ortes eine Frau festgenommen, bedroht und geschlagen. Hexerei soll sie betrieben haben und Schuld am Tod eines kleinen Babys sein. Es ist immer dasselbe: Ein kleines Kind fiebert plötzlich hoch auf, erbricht, Durchfall. Klingt nach Malaria. Ein rascher Transport in einen nächsten Gesundheitsposten, der halbwegs mit ein paar Medikamenten ausgestattet ist (in Zeiten von Rebellion und Bürgerkrieg sind die jedoch höchst selten!) kann da Leben retten. Aber nein, jemand „weiß“ es besser: das ist Schadenszauber, schwarze Magie. Und man hat auch schon die Schuldige gefunden: eine junge Mutter. Und so müssen wir den Gottesdient erst einmal verschieben und gehen die paar Schritte an die Straßensperre der Anti-Balakas. Dort finden wir die Frau.
Nach einer halben Stunde Diskussion hin und her setzt sich der Präfekt durch. Er verspricht, die Frau mitzunehmen und in ihr Heimatdorf in ca. 15 Kilometer Entfernung zu bringen. So rettet er das Leben der Frau und die Dorfbewohner sind die „gefährlich Frau“ los.
Mit einer Stunde Verspätung können wir dann doch Messe feiern. Gott sei Dank.
Alindao
Vor fast einem Jahr war ich das letzte Mal in Alindao. Dann kam der Krieg, der Mord an fast 200 Menschen innerhalb von drei Tagen in Alindao.
Seit unserer definitiven Rückkehr nach Mobaye Anfang Dezember hatte sich noch nicht die Möglichkeit geboten, wieder in unsere Bischofsstadt zu kommen. Am vergangenen Wochenende haben wir uns auf den Weg gemacht. Offizieller Anlass war die Diakonenweihe von Stéphane, einem Seminaristen der Diözese. Gleichzeitig wollten wir aber auch den Weg „austesten“, vor allem die Reaktionen der verfeindeten Rebellengruppen. Die drei großen Orte auf dem Weg (Langandji, Kongbo und Pavika – für diejenigen unter Euch, die die Basse-Kotto kennen) sind fest in der Hand der Séléka-Rebellen, der Rest, die unzähligen Dörfer am Straßenrand, sind beherrscht von Anti-Balaka-Milizen.
Mit drei Autos und einer ganzen Delegation der Stadt haben wir uns auf den Weg gemacht, zusammen mit dem Präfekten, zwei Unter-Präfekten, zwei Beamten, dem Arzt des Gesundheitsbezirks und zwei Mitarbeitern einer lokalen Nichtregierungsorganisation.
Und wir haben gespürt: Wir sind noch sehr weit vom Frieden entfernt…
In zwei Orten, in denen wir angehalten und mit den Anti-Balaka-Kämpfern gesprochen haben, schlug dem Präfekten viel Skepsis, bisweilen sogar Ablehnung von Seiten der Gegenrebellen entgegen: Welche Sicherheit könne er denn geben, wenn sie, die Anti-Balaka-Kämpfer, das heißt die jungen Männer aus den Dörfern, ihre Waffen niederlegen und die Straßensperren aufheben würden? Weiterhin gibt es keine Armee, keine Gendarmerie, keine Polizei in der ganzen Basse-Kotto. Weiterhin gilt das „Gesetz des Stärkeren“, „la loi de la jungle“. Weiterhin hören wir von Morden, verübt von den Séléka-Rebellen.
Sie haben ja Recht, die zornigen Bewohner. Aber sie sind auch keine hehre Widerstandsbewegung. Wie ich schon in einem früheren Eintrag geschrieben habe, unterziehen sie sich alle der Schwarzen Magie. Und auch sie können zu Wegelagerern und Dieben werden, die die eigene Bevölkerung drangsalieren. Einmal den mörderischen Kreislauf von Gewalt, Hass und Misstrauen in Gang gesetzt, lässt er sich nur ganz, ganz schwer unterbrechen.
Diejenigen unter Euch, die Alindao und seine Herz-Jesu-Kathedrale schon einmal besucht haben, werden den Ort heute nur schwer wiedererkennen:
Um die Kirche herum ist ein riesiges Flüchtlingslager entstanden. 23.000 bis 25.000 Menschen leben dort, im Schatten von Bischof und Blauhelm-Soldaten aus Burundi. Letztere sind so ganz anders als die UNO-Truppe aus Mauretanien bei uns in Mobaye. Die ostafrikanischen Soldaten sind uns auf halber Strecke entgegengekommen und haben uns auf der Rückfahrt bis nach Mobaye begleitet. Die Soldaten aus Mauretanien dagegen tun nichts zum Schutze der Bevölkerung oder zur Unterstützung der hiesigen staatlichen Autorität. Außer dass sie dem Präfekten Diesel-Treibstoff zur Verfügung stellen.
Gefeiert haben wir trotzdem: Stéphane ist jetzt Diakon!
Von Pater Olaf Derenthal
Olaf Derenthal, Spiritaner, Missionar und Krankenpfleger, lebt und arbeitet seit Oktober 2016 in der Zentralafrikanischen Republik. Mit zwei Mitbrüdern begleitet er die junge Kirche in der Pfarrei Mobaye und arbeitet als Koordinator für Gesundheitsprojekte der Diözese Alindao. Wegen zunehmender Konflikte zwischen den Rebellen dort ist er mit seinen Mitbrüdern vorübergehend in den benachbarten Kongo geflohen. Hier finden Sie Auszüge aus seinem Blog.