Ohne die Religionsfreiheit ist alles nichts! Das haben die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils tief empfunden, als sie in der letzten Sessio (1965) das heißeste Eisen anpackten und die Erklärung über die Religionsfreiheit, „Dignitatis humanae“, am letzten Tag des Konzils von Papst Paul VI. feierlich verkündet wurde. Dass mit dieser Erklärung eine enorme Lehrentwicklung eingeleitet wurde, die von nicht wenigen als Bruch empfunden wurde, darf deshalb nicht verschwiegen werden, weil heute das aktive Eintreten für Religionsfreiheit, also für die Freiheit der Menschen in weltanschaulichen Fragen, zur Grundlage allen kirchlichen Tuns geworden ist. Das gilt besonders auch für die Mission. Deshalb ist die Erklärung zur Religionsfreiheit, die jüngst auf der Tagung „Weltkirche und Mission“ in Würzburg verabschiedet worden ist, von nicht zu überschätzender Bedeutung.
Drei Voraussetzungen tragen diese Erklärung. Zum einen wird auf die jüngere Geschichte der Menschenrechte seit 1948 und die Lehrerklärung des Konzils als substantielle Aussage verwiesen, zum anderen sind die Unterzeichnenden mit Recht über die brisante aktuelle Lage besorgt. Vielfach wird dieses Recht mit Füßen getreten, und damit werden die Menschen in ihrem Innersten getroffen.
Viele Zeugnisse aus der Weltkirche bestätigten während der Tagung diese Situation. Der Aufruf zu aktiver und ausdrücklicher Solidarität mit allen Menschen, die um ihres Glaubens willen in Bedrängnis geraten, sollte von allen beherzigt werden.
Vor allem zwei Ursachen für die missliche Lage heute hebt die Erklärung ans Licht. Zum einen die altbekannte politische Unterdrückungsmaschinerie. Zum anderen aber auch: den Missbrauch von Religion. Über diesen Aspekt sollten wir gründlicher nachdenken. Dies setzt voraus, dass Religionszugehörigkeit auf einer Freiheitsentscheidung beruht, die nicht nur zu tolerieren, sondern ausdrücklich zu fördern ist. Aus der Sicht des letzten Konzils ist eine solche Sicht unter mindestens zwei Bedingungen möglich. Grundsätzlich muss gelten, dass das ewige Heil der Menschen nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft gebunden ist, sondern der göttliche Heilswille die Menschen vorab zu allem menschlichen Tun umfängt und dem die jeweiligen religiösen Kulturen dienen oder es mindestens nicht verunmöglichen.
Zum anderen aber, und hier ist die Beziehung zum politischen Missbrauch evident, war und ist nach unserer europäischen Erfahrung die Religionsfreiheit an den säkularen Staat gebunden. Dieser säkulare Staat ist aber nicht, wie heute oft unterstellt wird, neutral oder an Religion nicht interessiert (also atheistisch oder naturalistisch), sondern er verzichtet um der Würde und Freiheit des Menschen und ihres Glaubens willens auf eine konfessionelle Matrix. Der säkulare Staat wird von den Menschenrechten geprägt! Dass er damit ein Risiko eingeht, scheint mir solange kein Problem zu sein, solange Menschen und Gemeinschaften sich aktiv und engagiert in die Gesellschaft so einbringen, dass sie die Freiheit aller würdigen; auch wenn es um ihre eigenen Vorteile gehen sollte. Hier sollte unsere Kirche Vorbild sein.
In den letzten Monaten haben wir in Deutschland eine Kostprobe von diesem proaktiven Eintreten für die Religionsfreiheit erfahren: Das Anbringen von Kreuzen in bayerischen Amtsräumen muss von unserer Kirche immer auch mit den Augen jener beurteilt werden, für die das Kreuz ein Symbol der Unterdrückung und Verfolgung war. Denn wer für die Freiheit der Christgläubigen in muslimischen und hinduistischen Ländern eintritt – und es ist gut, dass das auf der Tagung und mit dieser Erklärung getan wird –, kann dies nur glaubwürdig tun, wenn er auch für die Freiheit der anderen bei uns eintritt. Und es ist dabei klar: Das ist kein Tauschhandel. Uns Katholiken hat das Evangelium aufgetragen, den ersten Schritt zu tun; nicht nur einmal, sondern immer wieder neu.
Von Roman A. Siebenrock
Univ.-Prof. Mag. Dr. Roman A. Siebenrock ist Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät und Institutsleiter am Institut für Systematische Theologie der Universität Innsbruck.
Dieser Artikel erschien erstmals in Ausgabe 4 von Oktober 2018 von DRS Global.
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