Die politische und wirtschaftliche Lage in Venezuela gleicht aktuell einem Pulverfass. Schwere politische Spannungen und eine Versorgungskrise erschüttern das Ölland. Die Regierung von Präsident Maduro und die Opposition sind tief gespalten. Die Hürden für einen Neuanfang und Versöhnung im Land scheinen schier unüberwindbar – doch es gibt einen Weg, der das Land aus der Krise führen könnte: der gemeinsame Verhandlungstisch.
Dafür müssen beide Seiten bereit für Gesten der Entspannung sein und gegenseitige Kompromissbereitschaft signalisieren. Nur über den Dialog und die Kompromissbereitschaft wird eine zwingend notwendige nationale Versöhnung zum Wohle der Bevölkerung möglich sein. Dabei ist die Eindämmung der gefährlichen Eskalation der politischen Spannungen im Land und ein Minimum an politischer Stabilität die Voraussetzung, um langfristig eine Normalisierung des Konfliktes sowie die „nationale Versöhnung“ zu erreichen.
Die katholische Kirche wäre eine potentielle Institution, um als „ehrlicher Makler“ die Polarisierung im Lande aufzubrechen und die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Die Freilassung der rund 2.000 Personen wie Leopoldo López, Antonio Ledezma und Daniel Ceballos, die aus politischen Gründen inhaftiert worden sind, wäre ein wichtiges Signal, um Verhandlungsgespräche aufzunehmen und den Pfad der nationalen Versöhnung einzuschlagen.
Die katholische Kirche wäre eine potentielle Institution, um als „ehrlicher Makler“ die Polarisierung im Lande aufzubrechen und die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen.
Venezuela muss sich von der Abhängigkeit der Erdöleinnahmen lösen
Neben der politischen Aussöhnung der politischen Konfliktparteien sind in Venezuela aber auch insbesondere ökonomische Anpassungen zwingend erforderlich. Die wirtschaftlichen Probleme sind aktuell allerdings zu groß, um sie kurzfristig zu lösen. Die Wiederherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs sowie die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung sind zunächst die dringlichsten Herausforderungen. Mittel- bis langfristig muss sich Venezuela allerdings endlich von der strukturellen Abhängigkeit der Erdöleinnahmen lösen. In den letzten drei Jahren sind die Kosten für die Subventionierung bestimmter Güter wie z. B. Benzin stark gestiegen, ohne jedoch wirklich den armen Bevölkerungsgruppen zu Gute zu kommen. Der Benzinpreis muss daher auch im Inland an einen realistischen Wert angepasst und staatliche Importe müssen zugunsten der nationalen Produktion ausgerichtet werden. Zudem können die Verteidigungsausgaben zu Gunsten von Gesundheit und Sicherheit reduziert werden.
Neuanfang nur über Dialog und Kompromissbereitschaft
Wie in vielen anderen Ländern in Lateinamerika sind auch in Venezuela die soziale Spaltung der Gesellschaft, die schweren sozialen Probleme und der Gegensatz einer traditionell reichen Oberschicht und einer verarmten Bevölkerungsmehrheit eine der Hauptursachen für die politischen Verwerfungen im Land. Die alten politischen Eliten, die das Land über viele Jahrzehnte im 20. Jahrhundert geführt haben, waren in den 90er-Jahren so stark in Misskredit geraten, dass sich eine Bevölkerungsmehrheit hinter Hugo Chávez und seiner politischen Bewegung sammelte. In gleicher Weise ist nun allerdings auch der propagierte „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ gescheitert. Die Hoffnung auf einen Neuanfang in Venezuela wird daher nur über den Dialog und die Kompromissbereitschaft beider Seiten möglich sein.
Von Peter Weiß
Hintergrund
Peter Weiß ist kürzlich selbst nach Venezuela gereist und hat sich vor Ort über die aktuelle Lage informiert. Eine umfassende Analyse des ZdK-Sprechers über die wirtschaftliche und politische Situation im Land lesen Sie heute auf dem Internetportal Weltkirche.