Wie Kolumbiens Kirche den Friedensprozess begleitet

13.732 abgegebene Waffen, rund 6.000 Rebellen auf dem Weg in ein ziviles Leben: Die erste Phase der Umsetzung des Abkommens zur Beendung des mit Waffen ausgetragenen Konflikts zwischen dem kolumbianischen Staat und der Guerrillaorganisation FARC ist abgeschlossen – und die katholische Kirche spielte dabei eine nicht unwichtige Rolle.

Nach der Ratifizierung des Abkommens Ende vergangenen Jahres waren die Mitglieder der Guerrillaorganisation FARC in insgesamt 26 sogenannten „Übergangscamps“ untergebracht worden, um dort ihre Waffen abzugeben, die Gründung einer politischen Partei voranzutreiben und sich auf ein Leben als Zivilisten vorzubereiten. Derzeit sind die Vereinten Nationen (UNO) dabei, die letzten Waffen aus diesen Camps per Hubschrauber, Boot oder Lastwagen abzutransportieren. Da die ausländischen UNO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sehr kurzfristig über ihre Arbeitsregionen in Kenntnis gesetzt wurden, blieb ihnen nur wenig Zeit, sich einen Eindruck über die Lage vor Ort zu verschaffen.

Szene von einem Treffen zwischen pastoralem Personal aus den Übergangszonen, sowie FARC- und UNO-Mitgliedern. © Comisión de Conciliación Nacional

Die Nationale Versöhnungskommission CCN, die als Einrichtung der kolumbianischen Bischofskonferenz von der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) e.V. durch zwei Fachkräfte im Zivilen Friedensdienst (ZFD) unterstützt wird, hat daher die UNO-Mitarbeiter in Kontakt mit dem pastoralen Personal im Umfeld der „Übergangscamps“ gebracht, damit dieses als Türöffner und kundige Kontaktperson vor Ort wirken kann.

Zudem begleitet die Bischofskonferenz über CCN und Sozialpastoral durch Bildungsveranstaltungen, Treffen, humanitäre Hilfe und Öffentlichkeitsarbeit Exguerrilleros sowie Menschen aus Ortschaften im Umfeld mehrerer „Übergangscamps“, damit sich beide Seiten darauf vorbereiten können, in Zukunft friedlich zusammen zu leben. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, haben doch viele Menschen aus diesen Ortschaften in der Vergangenheit sehr unter den kriegerischen und kriminellen Handlungen von Gruppen wie der FARC-Guerrilla gelitten. Dabei beinhaltet die Begleitung durch die Kirche nicht nur die notwendige Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern auch einen Blick nach vorne: Wie ist Versöhnung möglich? Welche Chancen bieten sich nun, da es eine bewaffnete Gruppe weniger gibt?

Die Kirche unterstützt die Suche nach Lösungen für die großen Probleme des Landes, die über Jahrzehnte hinweg von dem „großen“ Konflikt überlagert wurden und nun verstärkt an die Oberfläche kommen: Die anhaltend extrem ungleiche Verteilung von Landbesitz, die Armut in einigen Regionen, die Ausbeutung von Bodenschätzen unter Mißachtung von Umweltstandards und Menschenrechten, die politische und soziale Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung. Laut der Beobachtungsstelle „Somos Defensores“ wurden im vergangenen Jahr insgesamt 80 Menschen ermordet, die sich auf lokaler oder regionaler Ebene für Menschen-, Bürger- oder Umweltrechte eingesetzt haben – eine Zahl, die den positiven Eindruck trübt, den der starke Rückgang an Todesfällen hervorruft, die als durch den mit Waffen ausgetragenen Konflikt verursacht angesehen werden müssen.

Übergangslager La Paz Cesar, im Hintergrund sieht man den Bischof von Valledupar, Óscar Vélez. © Comisión de Conciliación Nacional

Die Waffenabgabe der FARC ist somit lediglich der erste Schritt zur Beendigung des Konflikts. Für „Frieden“ müssen Verhandlungsprozesse mit noch verbliebenen illegalen Gruppen wie dem ELN vorangetrieben werden. Insbesondere benötigt Kolumbien aber eine Beseitigung der Konfliktursachen. Die katholische Kirche wird diese Prozesse weiterhin auf allen Ebenen unterstützen. Es gibt noch viel zu tun. Rund 6.000 Menschen weniger in Waffen sind dafür ein guter Anfang.

Von Damian Raiser

Kategorie Klartext

Der Journalist und Politikwissenschaftler Damian Raiser lebt in Kolumbien. Als Fachkraft der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) im Zivilen Friedensdienst berät und unterstützt er die nationale Versöhnungskommission (CCN) der kolumbianischen Bischofskonferenz in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit.

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