Peinlich, unendlich peinlich! Stellen Sie sich vor, Sie sind vom Brautpaar zu einer Hochzeit eingeladen. Sie haben sich schick gemacht, sich um ein Geschenk gekümmert und schon ein Bahnticket besorgt. Sie freuen sich. Kurz vor Abfahrt geben Ihnen aber die Eltern des Brautpaars zu verstehen, dass Sie nicht erwünscht sind. Ihre Absichten seien nicht lauter und Sie würden voraussichtlich nicht heimgehen, wenn das Fest zu Ende ist. Daher sollten Sie lieber gar nicht kommen.
Genau das passiert derzeit bei den von „weltwärts“ geförderten Freiwilligendiensten. Um im Bild zu bleiben: Europäische Jugendliche dürfen gerne auf Hochzeiten in Tansania, Uganda oder Ghana tanzen. Wenn aber umgekehrt ein junger Erwachsener aus diesen Ländern nach Deutschland eingeladen wird, bekommt er kein Visum.
Die Weltkirchlichen Friedensdienste (WFD) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart umfassen schon seit Jahren einen Reverse-Dienst, in dem bisher ausschließlich lateinamerikanische Jugendliche ein Jahr in einer hiesigen Partnergemeinde verbringen konnten, um mitzuleben, mitzubeten und mitzuarbeiten. Eine große Chance, die insbesondere denjenigen eröffnet werden, die sonst keine Aussicht auf solch lebensprägende Erfahrungen haben.
In der Regel kam es zu keinen Einreiseschwierigkeiten. Im Jahr 2018 sollte dann die dringend anstehende Erweiterung auf englischsprachige Länder vollzogen werden, mit den beiden Pionierländern Uganda und Indien. Während bis dato alle lateinamerikanischen Reverse-WFDler des Jahrgangs 2018/19 bereits ihren Dienst antreten konnten, durften von den vier englischsprachigen WFDlern bislang nur zwei einreisen. Während der Fall der indischen Freiwilligen noch in der Schwebe ist, hat die ugandische WFDlerin kein Visum erhalten. Die Begründung: Ihre Absichten seien unklar. Es sei wahrscheinlich, dass sie keine WFDlerin sei, sondern Migrantin. Und solche Menschen – die implizite Botschaft der deutschen Botschaften – sind nicht erwünscht.
„Partnerschaft auf Augenhöhe“ ist ein hehres Ziel, sowohl für die kirchliche Partnerschaftsarbeit als auch für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Mit einem Marshallplan für Afrika des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (das übrigens auch „weltwärts“ finanziert), und der Afrika-Initiative der Landesregierung in Baden-Württemberg soll derzeit mehr Partnerschaft mit Ländern in Afrika gewagt werden. So soll beispielsweise ein Fokus auf den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit gelegt werden. Es wurde aber offenbar versäumt, dies auch dem Auswärtigen Amt mitzuteilen.
Im Hintergrund der Visa-Problematik steht natürlich das derzeit zentrale politische Projekt, Fluchtursachen zu bekämpfen. Partnerschaft auf Augenhöhe? Fehlanzeige. Kohärenz der Politik? Fehlanzeige. Es geht anscheinend nicht darum, jungen Menschen aus afrikanischen Ländern Perspektiven zu eröffnen, die sie persönlich weiterbringen. Vielmehr geht es offenbar darum, ihnen Perspektiven zu nehmen: „Mit Euch soll es keine Partnerschaft auf Augenhöhe geben. Ihr seid gut beraten, Euch von uns fernzuhalten!“ So werden keine Fluchtursachen bekämpft, sondern Menschen. Dass es mit den beiden Frauen nun insbesondere diejenigen trifft, die sowohl in Uganda als auch in Indien ohnehin mit massiven Benachteiligungen zu kämpfen haben, ist dabei das i-Tüpfelchen des Zynismus.
Dies ist ein Skandal! Für uns als Einladende ist es schmerzhaft, beobachten zu müssen, wie Hoffnungen gnadenlos enttäuscht werden – sowohl jene der aufnehmenden Gastgemeinde als auch diejenigen der jungen Menschen in Übersee. Und es ist peinlich im wahrsten Sinne des Wortes, die Hilflosigkeit auszuhalten, nichts an der Situation ändern zu können. Um zum Bild des Anfangs zurückzukommen: Auch dem Brautpaar wird die Hochzeit vermiest, wenn die (weiblichen) Gäste nicht kommen (dürfen).
Von Dr. Wolf-Gero Reichert
Dr. theol. Wolf-Gero Reichert ist Geschäftsführer der Hauptabteilung Weltkirche im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Dieser Artikel erscheint in der Januarausgabe 2019 des Magazins „DRS.GLOBAL – Aus der weltkirchlichen Arbeit der Diözese Rottenburg-Stuttgart“.