Für den Klimaschutz brauchen wir Euch alle!

Kathrin Schroeder, Misereor-Referentin für Klimawandel und Energie.

Noch nehmen einige Staaten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakrise nicht ernst. Das beobachtete Antje Kathrin Schroeder, Misereor-Referentin für Klimawandel und Energie, auch wieder auf der UN-Klimakonferenz in Bonn. Gleichzeitig wächst der Druck von außen.

Die bedrohliche Lage des Weltklimas, die Klimakrise, hat die Debatten der Expert*innen verlassen und ist nun ein breit diskutiertes Thema in vielen Ländern. Sogar bei der Europawahl haben die Menschen in vielen Ländern ihr Kreuz bei einer Partei gemacht, die ihrer Meinung nach am besten diese Krise bekämpfen kann. Der Druck von „außen“ ist in den Hallen der Konferenz an vielen Orten spürbar. Nicht bei den hartleibigen Vertreter*innen der „Öl-Staaten“ natürlich, aber viele Reden nehmen auf Bewegungen wie #Fridays4Future oder die Kohlewiderstandsgruppen Bezug, die sich am Wochenende im Rheinland zu einem Aktionswochenende getroffen haben. Der Begriff „climate emergency“, der durch Greta Thunberg und Papst Franziskus geprägt wurde, hat auch in die Klimaverhandlungen Eingang gefunden. Aber führt er tatsächlich zu veränderten Handlungen?

Demonstration junger Teilnehmer der UN-Klimakonferenz und Fridays for Future für Generationengerechtigkeit am 21. Juni 2019 auf dem Platz der Vereinten Nationen in Bonn. © Kathrin Schroeder/Misereor

Die Klima-Rahmenkonvention ist nun schon 27 Jahre alt und die Verhandlungen dazu machen wie jedes Jahr einen Zwischenhalt in Bonn zu den sogenannten „intersessionals“ – also einem Treffen zwischen den „großen“ Klimakonferenzen. Als zivilgesellschaftliche Beobachter*innen hoffen wir natürlich, dass die Konvention nicht auch in den „Club of 27“, also aller mit 27 Jahren verstorbenen Musiklegenden, eintritt, sondern jetzt erst richtig an Fahrt gewinnt und alle Mitgliedstaaten tatkräftig dabei helfen, die Klimakrise einzudämmen. „Ambition“, ist das Motto, das die Generalsekretärin des Klimasekretariats, Patricia Espinosa, zu Beginn ausgab. Bis zum kommenden Jahr sollen alle Staaten ihre vor der Pariser Klimakonferenz (2015) eingereichten Pläne anpassen. „Anpassen“ heißt in den meisten Fällen: Ziele höher stecken, mehr in Klimaschutz investieren, Maßnahmen für die Anpassung an die zu erwartenden Folgen des Klimawandels einleiten und natürlich für die reichen Länder: Geld bereitstellen!

Weiterhin werden im UN-Klimaprozess Teile des Rahmens verhandelt, aber was konkret in Städten und Dörfern, in Unternehmen, Verbänden und Schulen, aber auch auf staatlicher Ebene passiert, wird den Erfolg oder Misserfolg des Pariser Abkommens ausmachen.

Plenarsaal des UN-Klimasekretariats in Bonn. ©UNFCCC/flickr

Während der ersten Verhandlungswoche fand auch der EU-Gipfel in Sibiu statt. In Bonn gab es dafür sehr viel Aufmerksamkeit, denn eines der Themen auf der Agenda der EU-Staatschefinnen und -chefs war das bisherige EU-Klimaziel für 2030 anzuheben und ein Langfristziel für die Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2050 zu beschließen. Durch den Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC), der im Herbst 2018 veröffentlicht wurde, ist eigentlich deutlich genug geworden, dass die Treibhausgasemissionen deutlich mehr und deutlich schneller reduziert werden müssen. Ein Instrument dafür sind Minderungsziele, die einerseits jeder Staat für sich beschließen muss, in Europa aber auch im Verbund der Europäischen Union beschlossen werden müssen.

Leider ist dies nicht gelungen. Polen, Tschechien, Ungarn und Estland haben letztendlich dem Vorschlag nicht zugestimmt. Eigentlich nicht weiter überraschend, haben sich zumindest zwei dieser Staaten doch in der Vergangenheit immer wieder mit Rücksicht auf ihre heimische Kohleindustrie gegen verstärkten Klimaschutz gewehrt. Aber in diesem Jahr hat Polen noch die Präsidentschaft der Klimakonferenz inne, bevor es im Dezember den Staffelstab an Chile weitergibt. Den ohnehin schon schwierigen Verhandlungen bei den Themen zu Emissionsminderungen hat dieses Scheitern in Sibiu sehr geschadet.

Misereor-Expertin Kathrin Schroeder mit der Delegation der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) bei der UN-Klimakonferenz 2019 in Bonn. © Kathrin Schroeder/Misereor

Die Vertragsstaaten haben einiges geschafft in den knapp zwei Wochen der „Bonn Climate Change Conference“, aber einige Themen werden auch noch zur Klimakonferenz nach Chile weiter gereicht werden:

  • Klimaschutzpläne

Das Motto „Ambition“ schwingt in allen Themen mit. Bei den Klimaschutzplänen (Nationaly determined contributions), die alle Staaten bis zur Klimakonferenz im Jahr 2020 überarbeiten müssen, möchten wir sehen, dass die Aussagen des Sonderberichts des Weltklimarats zu 1,5°C wirklich verstanden worden sind und zu deutlich mehr Emissionsreduktion führen. Leider gab es bei dieser Konferenz von einigen Staaten großen Widerstand, diesen Zusammenhang auch wirklich festzustellen. Unglaublich, aber leider wahr in Zeiten von „fake news“: Verhandler von Staaten, die mit fossilen Energieträgern heute noch viel Geld verdienen, wollen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Dringlichkeit der Klimakrise nicht offiziell zur Kenntnis nehmen!
Auch sind die „Laufzeiten“ dieser Pläne noch nicht vereinbart worden. Die klimapolitische Zivilgesellschaft ist sich einig: kurze Laufzeiten ermöglichen schnelleres Überprüfen und konkretere Maßnahmenplanung. Aber die Europäische Union, deren Planungszyklen generell recht langsam sind, ist im Moment eher dafür, die Laufzeit auf zehn Jahre zu strecken. Das ist eigentlich nicht im Sinne des Pariser Abkommens, denn dort ist ab dem Jahr 2023 eine regelmäßige Überprüfung vorgesehen – alle fünf Jahre! Dazu wird vermutlich noch weiter diskutiert werden.

  • Das Regelbuch

Das letzte Verhandlungskapitel des „Regelbuchs“, der sogenannte 6. Artikel, zu dem bei der letzten Klimakonferenz keine Einigung gefunden werden konnte, muss bei der Klimakonferenz im Dezember in Chile wirklich fertig werden. In diesem Artikel geht es um die Regelungen, mit denen „Verschmutzungsrechte“ gehandelt werden – einerseits auf zwischenstaatlicher Ebene, aber auch für Unternehmen. Wir bei Misereor fürchten, dass, wenn die Regeln zu „lasch“ gestaltet werden, die Staaten ihre Verschmutzungsrechte von früher, aus der Zeit vor dem Pariser Abkommen, einfach weiter nutzen und Einsparwirkungen von Klimaschutzprojekten doppelt gezählt werden könnten – nämlich einmal in dem Land, das ein Projekt durch Zertifikate finanziert hat und nochmal in dem Land, in dem das Projekt umgesetzt wurde. Für uns ist ganz wichtig: Solche Projekte dürfen auf gar keinen Fall dazu führen, dass funktionierende Ökosysteme zerstört und Menschen vertrieben werden. Bisher gibt es nämlich keine Ausschlusskriterien, die diese Anforderungen sicherstellen. Auch die Handelsinstrumente müssen zu mehr Ambition beim Klimaschutz führen!

  • Verluste und Schäden

Bei dem schwierigen Thema „Verluste und Schäden durch Folgen des Klimawandels“ („Loss and damage“) steht einerseits die Überprüfung des Gremiums an, das seit etwa fünf Jahren daran arbeitet, dieses Thema wissenschaftlich und rechtlich zu fassen. Ein zweites und weitaus schwierigeres Thema ist die Frage, wie und vor allem wer in Zukunft den Ländern helfen wird, die von solchen Schäden betroffen sein werden. Als Beispiel gelten in der Diskussion derzeit Naturkatastrophen wie die Tropenstürme Idai und Kenneth, die vor einigen Monaten in Mosambik verheerende Schäden verursachten und viele Menschen das Leben kosteten.

Aber in diesem Themenbereich werden auch Prozesse verhandelt, die sehr langsam vorangehen, wie das Versinken von Inselstaaten im Meer, oder das Abschmelzen von Gletschern in den Anden. Immer noch gibt es keinerlei Finanzierung – und vor allem Staaten, die historisch für sehr viele Treibhausgase verantwortlich sind, wehren sich gegen konkrete Unterstützung für diejenigen, die unter den Folgen am stärksten leiden.

Der nächste Meilenstein für die Klimapolitik ist der Klimagipfel des UN-Generalsekretärs am 23. September in New York. Hier wird zwar weniger beschlossen, aber die Signalwirkung von Ankündigungen, die dann einige Monate später bei der Klimakonferenz verbindlich werden, darf nicht unterschätzt werden! Um auch hier den Druck von außen auf die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs hoch zu halten, hat das internationale Bündnis von „Fridays for Future“ den Freitag vor diesem Gipfel (20.9.) zu einem besonderen Streiktag erkoren. Und um das Ganze schön einzurahmen, rufen viele Organisationen, darunter auch Gewerkschaften, für den 27.9. zu einem „Generalstreik für das Klima“ auf! Daran können sich alle beteiligen – vielleicht hat ja sogar „Maria 2.0“ Lust, dabei mitzumachen? Für den Klimaschutz brauchen wir Sie und Euch alle!

Von Antje Kathrin Schroeder, Misereor-Referentin für Klimawandel und Energie.

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