Der Machtzuwachs der Kirche von Rom im Laufe der Jahrhunderte ist beispiellos. Aus dem „primus inter pares“ entwickelte sich ein Jurisdiktionsprimat des Papstes mit universalkirchlichem Anspruch. Zeitgleich wuchs die katholische Kirche weltweit in nahezu alle Länder und Kulturen. Jede dieser jungen Ortskirchen speist ihre Legitimität aus der Einheit mit dem Bischof von Rom, ihm geloben alle Bischöfe Gehorsam. Katechismus, Kirchenrecht und Instruktionen wollen sämtliche gemeinschaftsbezogenen sowie persönlichen Aspekte des Glaubenslebens regeln. Doch diese globalen Normierungen des Katholischen werden vor allem in Europa von immer weniger Gläubigen mitgetragen.
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Weihnachten: Ein Fest der Hoffnung
Christen in Indien machen nur etwa 2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, dennoch ist Weihnachten ein Fest für fast allen Inder*innen geworden. Der Nationalverband Indien, gegründet 1981, ist mit seinen 46.500 Mitgliedern in 3.000 Kolpingsfamilien der mitgliederstärkste Nationalverband nach Deutschland. Kolping steht für neue Perspektiven, für Bildung und Teilhabechancen. In Indien sind etwa über 85 % der Mitglieder weiblich. Wer Kolping beitritt, spürt die Stärke der Gemeinschaft, erhält Selbstbewusstsein und wird befähigt, sich und seiner Familie selbst zu helfen. Dies zeigt sich auch in der Feier des Weihnachtsfestes: In Indien ist Weihnachten das Fest, das auch in einer hoffnungslosen Situation Hoffnung gibt.
Fr. Mari, der Nationaldirektor von Indien, beschreibt, dass Weihnachten in der Vergangenheit meist auf die christliche Kirche beschränkt war. Doch in den letzten Jahren habe sich das Weihnachtsfest im Zuge der wirtschaftlichen Liberalisierung und Globalisierung allmählich kommerzialisiert. Darüber hinaus werden in den letzten Jahren Weihnachtsfeiern organisiert, zu denen die politischen Führer eingeladen werden, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Die Politiker zeigen Interesse an der Teilnahme an dem Mega-Event, da sie diese Gelegenheit zum Wahlkampf nutzen.
Für Fr. Mari überwiegen dennoch die positiven Aspekte der Weihnachtszeit:
Weihnachten ist ein Familienereignis für die Kolpingmitglieder und christlichen Gemeinschaften. Für alle Familienmitglieder werden neue Kleider gekauft, es wird gut gegessen und es gibt ein Feuerwerk. Als Symbol der Verehrung und Dankbarkeit schenken die Familienmitglieder dem Familienoberhaupt eine Zitrone. In Südindien stellen Christen oft brennende Öllampen auf ihre flachen Häuserdächer, um den Nachbarn zu zeigen, dass Jesus das Licht der Welt ist. An Heiligabend wird eine Mitternachtsmesse gefeiert, danach gehen alle singend umher und besuchen die Familie.
Weihnachten ist aber auch die Zeit des Teilens und der Hilfe für die Armen. Die katholischen Pfarreien nutzen diese Gelegenheit, um arme Familien zu unterstützen. Jedes Jahr werden ein oder zwei besonders bedürftige Familien ermittelt und es wird in der Pfarrei für den Bau eines kostengünstigen Hauses gesammelt. Heiligabend wird es von den Gemeindemitgliedern an die Begünstigten übergeben.
In der Nachfolge des Seligen Adolph Kolping unterstützen die Kolpingsfamilien die armen Familien in ihren Gemeinden, z.B. durch neue Kleider, Lebensmittel, Besuch von Todkranken, finanzielle Hilfen für alte Menschen.
Weihnachten ist auch eine Zeit des interreligiösen Dialogs. Der Kirchenchor besucht gemeinsam mit dem Pfarrer die Häuser aller Religionen, singt Weihnachtslieder und betet mit ihnen. In den meisten Pfarreien wird eine interreligiöse Weihnachtsfeier organisiert, an der alle religiösen Oberhäupter teilnehmen.
Weihnachten bedeutet aber auch kollektives Handeln: An den Straßenrändern werden riesige Weihnachtskrippen aufgestellt, die eine Attraktion für Viele sind. Menschen aller Glaubensrichtungen sind beteiligt, in dem sie Geld sammeln und die Krippen mit bauen.
Und natürlich ist Weihnachten ein Tag des Spaßes und des Jubels: ein lang ersehntes Ereignis für die Kolpingmitglieder, der dazu da ist, Geschenke auszutauschen und gemeinsam ans Meer zu fahren.
Von Sigrid Stapel
Sigrid Stapel ist Referentin für entwicklungspolitische Bildungsarbeit & Kampagnen bei Kolping International.
Allerheiligen in Bolivien
Das Fest Allerheiligen spielt im Leben der Bolivianer und natürlich der dortigen Kolpingmitglieder eine besondere Rolle. Schon unter verschiedenen indigenen Völkern Boliviens war vor der Ankunft der Spanier der Totenkult ein tief verwurzelter Brauch. Mit der Ankunft der spanischen Konquistadoren wurde diese Feier mit dem Fest Allerheiligen zusammengelegt.
Schon Tage vorher werden vor allem im andinen Hochland kleine Brote aus Weizen- und Maismehl, Maiskekse und t’antawaways (Figuren aus Teig in Form von Vögeln, geometrischen Mustern und Menschen, die die Verstorbenen symbolisieren), gebacken.
Mitglieder der Kolpingsfamilien können in Ausbildungskursen die Zubereitung dieser typischen Backwaren lernen und haben so die Möglichkeit, ein zusätzliches wirtschaftliches Einkommen für die Familie zu erwirtschaften, in dem sie diese verkaufen. Das süße Brot wird verschenkt und den Verstorbenen aufs Grab gebracht. Davon profitieren besonders Kinder und arme Menschen, die sich die Süßigkeiten sonst nicht leisten können.
Das Fest beginnt mit der Vorbereitung eines Tischaltares, der in Form von Stufen aufgebaut wird. Das soll den Weg darstellen, auf dem der Geist kommt und geht. Der Tisch ist reich gedeckt mit Blumen, süßem Brot, Getränken, und den Lieblingsspeisen der Verstorbenen, deren Foto in der Mitte des Tisches steht.
So wartet man festlich gekleidet zu Mitternacht des 1. Novembers, wenn nach der Tradition die Seelen der Toten in ihre ewige Heimat zurückzukehren, auf die Seele des zuletzt Verstorbenen der Familie. Zu „normalen“ Zeiten (ohne Corona), empfangen die Familien Dutzende oder sogar Hunderte von Besuchern vor ihrer Tür. Sie werden eingeladen, Chicha oder Likör mit Früchten zu trinken und zu essen. Es werden Gebete gesprochen und Lieder zum Gedenken an die Verstorbenen gesungen. Alles, was auf dem Tisch liegt, wird mit den Gästen geteilt. Die Toten, so glaubt man, kommen aktiv vom Himmel auf die Erde und nehmen am Fest inmitten der Familie teil, wo sie bis zum nächsten Tag bleiben. Indem man die Toten mit ihren Lieblingsspeisen milde stimmt, erwartet man im Gegenzug, dass sie sich für die Lebenden einsetzen, in dem sie z.B. für genügend Regen sorgen.
Zwischen den Mahlzeiten gehen die Familien auf den Friedhof und richten die Gräber. Am Abend des 1. Novembers feiert man auf dem Friedhof bei den Familiengräbern. Dabei teilt die Familie chicha und andere alkoholische Getränke mit den Verstorbenen, indem jeweils, bevor man selber trinkt, ein Schluck auf die Erde und aufs Grab geschüttet werden.
Die Kolpingmitglieder gedenken zu Allerheiligen natürlich besonders auch Adolph Kolping. Sie versammeln sich im Gebet und feiern die Eucharistie zu seinem Gedenken. Dabei wird besonders um seine Heiligsprechung gebetet.
Die Kolpingsfamilien sind als Selbsthilfegruppen organisiert und starten immer wieder Projekte, um die Probleme in ihrem sozialen Umfeld zu lösen. Dazu gehören vor allem Einkommen schaffende Maßnahmen, die es den Kolpingmitgliedern und ihren Familien ermöglichen, der Armut zu entkommen.
Dieses Jahr ist Allerheiligen geprägt von der Corona Pandemie, die in Bolivien viele Todesopfer, auch in den Kolpingsfamilien, gefordert hat. Helfen konnte Kolping Bolivien durch die Verteilung von Essenskörben an besonders Bedürftige, die aus dem Kolping Corona Fond von Kolping International finanziert wurden.
Eine große Hilfe für die Bevölkerung sind besonders in der jetzigen Situation die Gesundheitszentren und Hospitäler des Kolpingwerkes Bolivien, die qualitativ hochwertige Dienstleistungen für materiell arme Menschen anbieten. Aus dem Corona Fond wurde auch Schutzkleidung für diese Einrichtungen finanziert.
Von Sigrid Stapel
Sigrid Stapel ist Referentin für entwicklungspolitische Bildungsarbeit & Kampagnen bei Kolping International.