Während der drei Tage in Kpossengue haben wir mit der mobilen Gesundheitsstation 182 Patienten behandelt. Für manche mussten wir uns viel Zeit nehmen, für etliche andere blieben dagegen nur ein paar Minuten Raum für Sprechstunde und Behandlung.
Uns bot sich das ganze Bild der klassischen tropischen Infektionskrankheiten: allen voran die Malaria mit ihrer Vielfalt an Symptomen, aber auch zahlreiche Erkrankungen des Verdauungstraktes (wir haben alle Patienten entwurmt), der Atemwege, der Haut, besonders nach kleineren oder größeren Verletzungen. Zudem hat Mama Marie-Antoinette alle schwangeren Frauen untersucht und vorsorglich ein Malariamedikament gegeben.
Freitag und Samstag haben wir den ganzen Tag durchgearbeitet; der Sonntag sollte frei bleiben für die 20 Taufen, die ich spenden durfte. Allerdings waren schon morgens um sechs Uhr drei Mütter mit ihren hochfiebrigen Kindern vor unserer Tür. Unter ihnen auch die Mutter des sechs Monate alten René, des jüngsten Sohnes des Katecheten von Kpossengue. Er stand auch auf der Liste der zu taufenden Kinder. Also haben wir ihn auch noch „schnell“ behandelt, ein Antibiotikum gespritzt und Chinin gegen Malaria intrarektal verabreicht.
Die Kapelle von Kpossengue befindet sich zirka eineinhalb Kilometer vom Haus des Katecheten entfernt, wo auch wir gewohnt haben. Also haben wir uns nach einem kurzen Frühstück alle dahin auf den Weg gemacht. Schon vor der Messe ging es dem Kleinen noch nicht wirklich gut. Das Fieber wollte trotz der Medikamente nicht weichen. Ich habe der Mutter gesagt, sie solle sich etwas abseits setzen, denn unter dem Wellblechdach, dicht an dicht, wird’s heiß. Die Messe begann, aber schon nach fünf Minuten merkte ich, dass Renés Mutter plötzlich unruhig wurde. Und tatsächlich: Der Kleine verdrehte nur noch die Augen und zuckte. Fieberkrampf? Zerebrale Malaria? Beides möglich. So können Kinder an der Malaria sterben.
Ich habe den Kleinen dann genommen und in die Plastikschüssel mit dem Wasser für die Taufe gesetzt, um für einen Moment das Fieber zu senken. Dann habe ich gesagt, dass wir die Messe jetzt unterbrechen, die Leute sollten einfach warten. Wir sind dann mit dem Kind zu unserem Haus zurückgelaufen und haben Valium gegeben, um den Krampf, der aber auch schon nachgelassen hatte, definitiv zu stoppen. Der Kleine ist dann eingeschlafen. Nach einer halben Stunde ging es die eineinhalb Kilometer wieder zurück zur Kapelle und die Messe ging weiter. René hat den zweistündigen Gottesdienst dann draußen unter einem Baum in den Armen seiner Mutter verschlafen.
Das ist das ganze Drama der Kindersterblichkeit hier bei uns. Die Malaria vermag die Kleinen innerhalb von ein, zwei Tagen zu töten, wenn keine Medikamente da sind. Einige überleben, auch ohne Medikamente. Bis zum fünften Lebensjahr entwickeln sie dadurch eine Halbimmunität, die sie im Laufe ihres Lebens vor schweren Malaria-Attacken weitestgehend schützt. Aber dieser Schutz, der es den Menschen ermöglicht, Seite an Seite mit den Anophelesmücken, die die Krankheit übertragen, zu leben, ist eben teuer erkauft: mit einer schwindelerregend hohen Säuglings-und Kindersterblichkeit.
In einem Land, das durch eine absolut sinnlose Rebellion am Boden liegt, sind Medikamente in ländlichen Gebieten nur ganz schwer zu bekommen. So kommt es, dass auch an einem Tag, an dem kein Schuss fällt, die Milizen Menschen töten. Vor allem kranke Kinder.
Wenn man als Erwachsener ohne Teilimmunität in ein Malariagebiet reist, dann ist es praktisch unmöglich, dass das Abwehrsystem noch einen Schutzschild aufbaut, auch nicht innerhalb von Jahren. Deshalb schlucke ich seit meiner Ankunft regelmäßig Medikamente zur Vorbeugung der Krankheit: Die ersten Monate jeden Tag eine Tablette Doxicyclin, seit einiger Zeit jetzt jede Woche eine Tablette Lariam. Das werde ich auch weiter so tun, und dabei nach ein paar Monaten das Medikament immer mal wieder wechseln. Gott sei Dank machen mir die Tabletten nichts aus, keine Nebenwirkungen. Bin auch tatsächlich seit meiner Ankunft vor über einem halben Jahr noch keinen Tag krank gewesen.
Liebe Grüße!
Von Pater Olaf Derenthal
Olaf Derenthal, Spiritaner, Missionar und Krankenpfleger, lebt und arbeitet seit Oktober 2016 in der Zentralafrikanischen Republik. Mit zwei Mitbrüdern begleitet er die junge Kirche in der Pfarrei Mobaye und arbeitet als Koordinator für Gesundheitsprojekte der Diözese Alindao. Hier finden Sie Auszüge aus seinem Blog.