Die Tage der Flucht in den Kongo

Die Menschen fliehen aus Mobaye und setzen mit der Piroge auf eine Sandbank in der Mitte des Ubangi über. © O. Derenthal

Bleiben oder gehen? Diese Frage hat uns in unseren letzten Tagen in Mobaye immer wieder umgetrieben. Was ist die richtige Entscheidung? Die Séléka-Rebellen und die Verantwortlichen der Stadt versuchten, Druck auf uns auszuüben. Als religiöse Führer sollten wir, zusammen mit den evangelischen Pastoren und dem Imam, unsere Leute dazu drängen, wieder in die Stadt zurück zu kommen oder erst gar nicht zu fliehen.

Aber Tag für Tag wuchs die Anspannung. Und die Angst. Tag für Tag verließen die Menschen Mobaye. Zurück blieben Mütter mit kleinen Kindern und alte Menschen. Solange sie noch da sind und wir in der Kirche Schutz bieten können, bleiben wir. Das war unsere Leitlinie.

Zu fliehen ist schließlich auch mit vielen Risiken verbunden: Man kann kaum Reserven mitnehmen, man ist in einem fremden Land, man lässt ein Haus oder eine Hütte zurück, die irgendwann höchstwahrscheinlich geplündert werden wird.

„Bleiben oder Gehen? Was will Gott, dass wir tun?“ – Das fragten uns die Menschen.

Abends bei der Ausgabe von Reisbrei und Gebäck in der Kirche. © O. Derenthal

Ich habe immer geantwortet: Jesus hat beides getan. Als er kleines Kind war, hat sein Vater Josef ihn und seine Mutter Maria geschnappt, und sie sind Hals über Kopf nach Ägypten geflohen, um dem Tod durch die Soldaten des Herodes zu entkommen. Da war Jesus ein Flüchtling gewesen. Später dann, im Garten von Gethsemane, ist er nicht davongelaufen, als die Soldaten kamen und ihn festnahmen. Da hat er auf Gewalt mit Gewaltlosigkeit geantwortet. Was auch immer Du tust, ob Du gehst, ob Du bleibst, Gott ist mit Dir. Höre auf dein Herz und Deinen Verstand und dann handle.

So sehen die Stadtviertel von Mobaye heute aus. Normalerweise wimmelt es hier von spielenden Kindern, arbeitenden Frauen und herumlaufenden Hühnern. © O. Derenthal

So sind jeden Tag viele unserer Gemeindemitglieder gegangen. Und am Ende auch wir.

Das ist nicht leicht. Vor wenigen Wochen erst haben wir den „Sonntag vom Guten Hirten“ gefeiert. Der Hirt bleibt bei seiner Herde, auch und gerade, wenn der Wolf kommt. Wenn Du Priester bist, ist das fundamental.

Aber: unsere „Herde“ ist mittlerweile vollständig hier im Kongo. Nicht nur unsere Gemeinde aus der Stadt Mobaye, sondern auch aus allen Dörfern am Fluss, die zu meinem Pfarrsektor gehören. Und weit darüber hinaus.

Père Christ-Roi und Pastor Sambo von der Elim-Kirche bei den Flüchtlingen. © O. Derenthal

Und am Ende sagten uns die verbliebenen Leute: „Geht!“

Es war tatsächlich so: Wenn wir als Priester bleiben, senden wir das Signal aus: „Es gibt noch Sicherheit. Ihr könnt bleiben.“ Von daher war unsere Entscheidung zu gehen auch das Zeichen an alle: „Sicherheit gibt es hier nicht mehr“. Das haben die Leute verstanden. Und sind an jenem Tag fast vollzählig auf die gegenüberliegende Seite des Flusses gegangen.

Erst einmal in Sicherheit… © O. Derenthal

Was weh tut, ist der Gedanke, die Kirche und das Pfarrhaus ohne Schutz zurückgelassen zu haben. Wir müssen mit Plünderungen und Zerstörung rechnen. Aber ich glaube trotz allem, dass es doch eine richtige Entscheidung war, zu gehen. Die Zukunft wird uns lehren.

Danke für all Eure Gebete und Mut machenden Worte!

Von Pater Olaf Derenthal

Olaf Derenthal, Spiritaner, Missionar und Krankenpfleger, lebt und arbeitet seit Oktober 2016 in der Zentralafrikanischen Republik. Mit zwei Mitbrüdern begleitet er die junge Kirche in der Pfarrei Mobaye und arbeitet als Koordinator für Gesundheitsprojekte der Diözese Alindao. Wegen zunehmender Konflikte zwischen den Rebellen dort ist er mit seinen Mitbrüdern vorübergehend in den benachbarten Kongo geflohen. Hier finden Sie Auszüge aus seinem Blog.

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