Müde und abgekämpft, aber mit vollem Herzen kommen wir in unserer Unterkunft an. Reich beschenkt mit dem offenen Lachen, dem begeisterten Singen und den überreich gedeckten Tischen haben wir uns heute von zwei Gemeinschaften verabschiedet. Aber der Reihe nach…
Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Wir haben heute eine Dusche im Zimmer mit zwei Duschköpfen. Mit Luxus hat das nicht viel zu tun, denn aus dem einen kommt kaltes, aus dem anderen heißes Wasser. Ich merke: Es kommt auf die Mischung an.
Eine Stunde später fahren wir zum Frühstück mit unseren Autos in die Pfarrei „Our Lady of the Most Holy Rosary“ in Estancia. Die große Kirche ist teilweise eingerüstet, hinter der letzten Bank sind Zementsäcke aufgeschichtet. Im Pfarrsaal werden wir wieder mit allem empfangen, was es auf den Philippinen zu essen gibt. Nur einen kleinen Teil können wir genießen, aber wir wissen, dass das Buffet anschließend an die Pfarreiangehörigen verteilt wird. Ein paar Minuten stehen wir im Tricycle-Stau. Die Hauptfortbewegungsmittel der Philippinen bestehen aus Moped mit Beiwagen, die schon mal sechs bis sieben Leute transportieren können.
Nach kurzer Fahrt erreichen wir den Hafen. Wir werden auf zwei Pump-Boats aufgeteilt, die zuhauf in allen Größen im Hafen liegen. Es sind schmale Motorboote, mit Auslegern, die sich alle ineinander verhaken. So dauert das Ablegen seine Zeit, in der mit dem Bambusstak ins freie Wasser manövriert werden muss, bevor der Motor seinen Dienst antreten kann. Wir fliegen nun förmlich durch eine paradiesische Landschaft und nehmen Kurs auf die kleine Insel Bayas. Vorbei an kleinen und großen Inseln, die, teils flach mit Bananen- und Bambusstauden sowie Mangobäumen und teils mit hohen Vulkanen die Heimat für die vielen Fischer auf ihren kleinen Booten bilden.
Unvorstellbar die Zerstörung durch den Taifun Yolanda (international meist „Haiyan“ genannt), der 2013 mit einem Mal die Lebenswelt all dieser Menschen zerstört hat. Wir sind gespannt, was uns auf Bayas erwartet. Unser Boot gewinnt das Rennen. Der Kahn mit unserem Bischof hat das Nachsehen. Drei Mädchen begrüßen uns und führen uns an dem Basketball-Shed vorbei durch kleine Straßen, deren einfachste Hütten mit Blumenstauden geschmückt sind, zur Kapelle, die bis auf den letzten Platz besetzt ist. Auch außerhalb der Kapelle stehen viele Menschen und können durch die offene Bauweise an dem nun folgenden Gottesdienst teilnehmen.
Es ist Freitag, aber zu Ehren unseres Besuchs wird der Gottesdienst des kommenden Sonntags gefeiert. Da uns auch der zuständige Pfarrer, das Diözesan- und das Bukal-Team begleiten, sind mit unserem Bischof sechs Priester anwesend. Trotzdem wird eine Wort-Gottes-Feier gehalten, der der sogenannte „Lay Minister“ vorsteht, ein Lehrer der örtlichen Grundschule, der ehrenamtlich die Gemeinde leitet. Wir sollen die Feier kennenlernen, wie sie hier wöchentlich gefeiert wird. Zuvor stellen wir uns noch einzeln mit unseren Rollen in unseren Gemeinden vor. Unsere Vornamen werden immer von allen wiederholt. Ich (Gerhard) werde wegen Schwierigkeiten bei der Aussprache kurzerhand in Toto umgetauft.
Ein wesentliches Element des Gottesdienstes, das wir bei uns nur aus separaten Bibelabenden kennen, ist das Bibelteilen. Nach dem Vorlesen des Sonntagsevangeliums werden wir aufgeteilt, um uns in den Gruppen auszutauschen. Nach anfänglicher Scheu „teilen“ die Jugendlichen meiner Gruppe auch ganz persönliche Krisen ihres Lebens. Es fließen Tränen, die dann auch von Freundinnen geteilt werden – eine ergreifende Erfahrung für mich.
Nach der Wort Gottes-Feier mit Kommunionausteilung wird uns in der Kapelle ein überaus reichliches Buffet aufgetischt, zu dem wohl jede Familie etwas beigesteuert hat. Wir haben dann noch die Möglichkeit, Fragen zur Organisation der Community zu stellen. Aufgefallen ist uns die starke Beteiligung der Jugend, die einen beeindruckenden Chor und eine Tanzgruppe gestellt haben.
Bei dem anschließenden Rundgang über die kleine Insel erfahren wir Einzelheiten über die Erfahrungen der Menschen mit dem Taifun Yolanda. „Hier hat das Haus meiner Schwester gestanden“, erzählt mir die Mutter von Princess, die mich am Strand begrüßt hatte. „Wir haben uns alle in die Schule auf dem Hügel geflüchtet und gebetet.“ Wie durch ein Wunder ist auf dieser Insel niemand ums Leben gekommen, obwohl ein Großteil der Hütten zerstört wurde.
Nachdem wir am Strand herzlich verabschiedet werden, machen wir uns mit unseren Booten auf den Rückweg nach Estancia. Dieses Mal gewinnt das bischöfliche Boot um 3 Bootslängen. Mit unseren Autos machen wir uns nun auf den Weg in Richtung Süden, wo wir nach einer Kaffeepause in der Pfarrei „San Vicente Ferrer in San Dionisio“ eine Kleine Christliche Gemeinschaft in Tiabas besuchen.
Wir hatten in unserem Seminar in Maryshore auch von Communities gehört, die eine starke wirtschaftliche Komponente haben. In Tiabas treffen wir auf eine neue Gemeinschaft, die auch eine Kooperative betreibt. Im Meer werden Seegrasplantagen betrieben. Das Seegras wird nach der Ernte zu köstlichen Snacks weiterverarbeitet, die sich gut verkaufen lassen. Das Projekt wurde von Missio unterstützt. Es wurde erreicht, dass sich auch Fischer, die zuvor mit Dynamit gefischt und so ihre Umwelt und Lebensgrundlage gefährdet hatten, einbinden ließen. Trotz des starken Fokus auf die Kooperative wird der Kern der Gemeinschaft beim Gottesdienst und beim Bibelteilen gebildet.
Nach wenigen weiteren Minuten Fahrt treffen wir bei einem Hotel in Sara ein, das für heute als Quartier ausgesucht wurde. Trotz des anstrengenden Tages fällt uns das Einschlafen nach Abendessen und Tagesschlussmeditation schwer. Bis weit nach Mitternacht beglückt uns eine Diskothek mit ihrem wummernden Bass, und der Nachbar direkt vor unseren Fenstern erzählt lautstark seine Lebensgeschichte.
Von Gerhard Frübis