Ängste am Symbolort gescheiterter Friedensverhandlungen

Nach jahrelangen Verhandlungen in der kubanischen Haupstadt Havanna haben sich die linksgerichtete FARC-Guerilla und die kolumbianische Regierung Mitte Juni auf ein Waffenstillstandsabkommen verständigt. Die Vereinbarung ist ein weiterer Meilenstein in Kolumbiens Friedensprozess. Wie gross  die Ängste in Teilen der Bevölkerung dennoch sind, führte uns ein Workshop vor Augen, den das Vikariat San Vicente del Caguán gemeinsam mit der Nationalen Versöhnungskommission und der örtlichen Sozialpastoral organisiert hat.

„Ich möchte nicht, dass die im Konzentrationslager weiter Macht haben”, schreibt ein Teilnehmer über die FARC-Guerrilla. Wir hatten die fast 100 anwesenden Personen gebeten, Ängste mit Blick auf den Friedensprozess in Kolumbien niederzuschreiben. Hier in San Vicente del Caguán, im Süden des Landes, sind diese direkt zu spüren.

Derzeit wird in Kolumbien heftig darüber debattiert, was mit den tausenden FARC-Anhängern passieren soll, sobald sie ihre Waffen niederlegen. Die Unterhändler von Regierung und FARC-Guerrilla bei den Friedensgesprächen in Havanna (Kuba) sind sich einig, dass es Orte geben muss, an denen alle FARC-Mitglieder zusammenfinden, um die Entwaffnung zu garantieren. Dort werden sie selbst, aber auch ihre Waffen registriert. Die Waffen werden eingeschmolzen, die Menschen auf ihre Rückkehr in ein normales Leben vorbereitet. Um „Campos de Concentración” im Sinne von Auschwitz geht es bei diesen 23 Orten nicht, den FARC werden in den „Konzentrationszonen” große Freiheiten und ein fairer Gerichtsprozess garantiert. Dennoch zeigt die Wortwahl des Workshop-Teilnehmers, wie gross die Verunsicherung ist, insbesondere in San Vicente del Caguán, dem kolumbianischen Symbol für gescheiterte Friedensverhandlungen.

Caguán: Nach mehr als drei Jahren Dialog scheiterte dort 2002 ein Versuch, den mit Waffen ausgetragenen Konflikt zwischen Staat und FARC auf politischem Wege in friedliche Bahnen zu lenken. Wir sind also vorbereitet, beim Austausch mit Priestern, Ordensleuten, sowie VertreterInnen von Frauenrechts-, Handels- und Bauernorganisationen aus der Region auf Kritik und Widerstände zu stossen. Viele Teilnehmende äussern dann auch die Furcht, durch den FARC-Rückzug könnte ein Machtvakuum entstehen, das neuen bewaffneten Gruppen Raum lässt.

Eine junge Frau möchte über ihre Ängste nicht öffentlich reden. Sie erzählt in der Pause, in ihrem Dorf führten sich FARC-Kämpfer auf wie eh und je. Warum sie das nicht vor der Gruppe sagen möchte, wird bald klar: Eine Reihe von Teilnehmern sprechen von „wir”, wenn es um die Rolle der Guerrilla im kommenden Friedensprozess geht. Dennoch macht die Veranstaltung Hoffnung: Fast alle Teilnehmenden diskutieren offen über das, was Ihnen am Herzen liegt. Konflikte und Debatten friedlich und ohne Gewalt austragen, ist ein Ziel des Friedensprozesses.

San Vicente del Caguán ist direkt betroffen von dem, was in den Dokumenten steht, über die es in Havanna bereits eine Übereinkunft gibt. Dennoch kennen die wenigsten deren Inhalt. Deshalb organisiert das Vikariat San Vicente del Caguán gemeinsam mit der Nationalen Versöhnungskommission und der örtlichen Sozialpastoral Workshops, um die Folgen dieser Übereinkünfte für die Region zu analysieren. Denn San Vicente del Caguán wird  selbst eine „Konzentrationszone”.

Von Damian Raiser

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Der Journalist und Politikwissenschaftler Damian Raiser lebt in Kolumbien. Als Fachkraft der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) im Zivilen Friedensdienst berät und unterstützt er die nationale Versöhnungskommission (CCN) der kolumbianischen Bischofskonferenz in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit.

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