Wir haben Halbzeit. In einer Woche werden wir schon wieder den Heimweg antreten. Doch bis dahin werden wir noch so manches erleben. Heute waren wir zu Gast in der Pfarrei in El Tule – einem Ort, der gerade in den Mittelpunkt örtlicher Schlagzeilen gerät, weil sich dort Demonstrationen formieren, die sich gegen den geplanten Kanalbau durch Nicaragua stark machen.
Unabhängig von allen Fragwürdigkeiten würden die Bauern hier ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage verlieren. Wir spüren, was sich hier zusammenbraut. Gestern gab es gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei, die nicht spurlos an den Menschen vorbeigegangen sind.
Wir lernen heute wieder von den Verantwortlichen der Gemeinde, wie sie nach einem bistumsweit empfohlenen System den Aufbau der Pfarrei betreiben. SINE heißt diese sehr strukturierte Art, kleine Gemeinschaften zu gründen, deren Mitglieder sich in den Diensten auf Gemeinde- und Pfarreiebene engagieren. SINE steht für Sistema integral de nueva evangelisacion.
Erneuerung des Glaubens
Es beginnt mit dreitägigen Einkehrtagen, zu denen alle in der Pfarrei durch eine Werbung von Haus zu Haus eingeladen werden. Am Ende stehen eine Tauferneuerungsfeier, eine Erneuerung der Treue zur Firmung und eine Eucharistiefeier. Diese Einkehrtage sind für den Einzelnen wichtig für die Entdeckung und Erneuerung des eigenen Glaubens und des daraus erwachsenden Engagements in einem der vielen Dienste in der Pfarrei. Nicht selten erleben sie eine Bekehrung – so jedenfalls wird es überzeugend geschildert. Aber was der Schlüssel von allem ist: es entsteht Gemeinschaft, die weitergeführt werden kann. Pequena Comunidad heißt das Ganze auf Spanisch: kleine Gemeinschaft. In diesen Gemeinschaften wächst der Glaube und das Leben erhält eine neue Qualität.
Wir erleben wieder Menschen, die sprachfähig im Glauben sind: Sie geben den Strukturen, in denen sie die Gemeinde und die verschiedenen Dienste leiten, mit Begeisterung ein Gesicht. Sie sprechen authentisch und voller Freude, selbstbewusst und mit Kraft. „Wer die Flamme wach hält, das sind wir!“ Sie sprechen mit Genugtuung und Demut von dem, was gelingt und misslingt; von dem, was sie angehen wollen und was ihnen – wie im Fall des Kanalbaues durch ihre Pfarrei – schwerfällt.
Evangelisierung, Spiritualität, Anwaltschaft – das ist hier alles mit Händen zu fassen. Und wir geben ihnen noch etwas mit auf den Weg: weltweite Kirche am Beispiel eines Bistums im Südwesten Deutschlands in Europa.
Ihre Kundschafter aus Nicaragua
Franz Vogelgesang
Hintergrund
Acht Frauen und Männer aus dem Bistum Speyer sind vom 28. November bis 11. Dezember auf Kundschafterreise in Nicaragua, um die seelsorgliche Arbeit der Kirche kennenzulernen und Anregungen für die Kirchenentwicklung im Bistum Speyer zu erhalten. Dieser Reiseblog erscheint zeitgleich auch auf der Website des Bistums Speyer.
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