Heute fahren wir mit dem Boot auf eine der Hauptinseln von Solentiname, von San Fernando nach Mancarron. Hier lebte Ernesto Cardenal. Hierhin kommt er auch heute noch, wenn er das Archipel Solentiname besucht.
Vor allem aber gibt es hier eine Kapelle, in der viele der mitreißenden, die Menschen bewegenden und zu Veränderung anstiftenden Gottesdienste gefeiert wurden. Auch wir möchten heute hier einen Gottesdienst feiern. Dir Kirche gefällt uns: Sie ist schlicht, aber wunderbar inkulturiert. Der Innenraum der Kirche wurde mit vielen einfachen und oft symbolhaften Zeichnungen von Kindern gestaltet – lebensfroh und bunt.
Neben unserer Reisegruppe feiern noch ein paar Gläubige von der Insel und ein junger Nordamerikaner den Gottesdienst mit uns. So feiern wir zweisprachig: deutsch und spanisch. Der Gottesdienst an diesem besonderen Ort bewegt uns sehr. Ganz besonders das Tagesevangelium (Mt 18,12 – 14) in dem Jesus seinen Jüngern erzählt, dass ein guter Hirte einem verloren gegangenen Schaf nachgeht, bis er es wieder findet – auch wenn er in dieser Zeit die anderen 99 Schafe allein zurücklassen muss.
Lebendiges Bibel-Teilen
Unser Gottesdienstleiter Franz Vogelgesang hat die wunderbare Idee, dass wir uns nach dem Evangelium nach einer Phase des Schweigens zu dem Bibeltext austauschen. Dieser Austausch wird sehr lebendig. Wir sind sehr beeindruckt von den Bemerkungen der hiesigen Menschen. Wir spüren, dass sie, die oft keine besonders gute Schulbildung genossen haben, aus einer tiefen Spiritualität und zugleich aus einem wunderbaren Schatz von Lebenserfahrungen schöpfen. Ihre Beiträge sind geerdet, sehr konkret und in die Tiefe führend. Viele Gedanken sind es wert, darüber zu meditieren.
Es stellt sich zum Beispiel die Frage, wer denn heute das eine verirrte Schaf ist? Welche Schafe hüten wir in der Kirche? Sind das wirklich die verirrten Schafe oder haben wir zu den verirrten Schafen heute meist gar keinen Zugang bzw. kümmern uns um sie kaum bis gar nicht?
Zusätzlich fasziniert uns, wie Menschen von hier, die kaum aus ihrer Region raus kamen, die Texte der Evangelien in einer globalen Perspektive betrachten – gerade auch in punkto Schöpfungsverantwortung.
Klar wird uns in dieser Stunde einmal wieder, welch unglaubliche Kraft die frohe Botschaft Jesu Christi hat. Ebenso, dass diese frohe Botschaft klare Prioritäten setzt, sich auf die Seite der Armen und Entrechteten zu stellen und für diese Partei zu ergreifen. Tun wir das ausreichend? Müssen wir da nicht – immer wieder – umkehren, damit wir unserer aus dem Evangelium erwachsenen Aufgabe nachkommen und mit zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen?
Ihr Kundschafter aus Nicaragua
Christoph Fuhrbach
Hintergrund
Acht Frauen und Männer aus dem Bistum Speyer sind vom 28. November bis 11. Dezember auf Kundschafterreise in Nicaragua, um die seelsorgliche Arbeit der Kirche kennenzulernen und Anregungen für die Kirchenentwicklung im Bistum Speyer zu erhalten. Dieser Reiseblog erscheint zeitgleich auch auf der Website des Bistums Speyer.
Blog-Übersicht:
- 05.12.2016: Armut als das Fehlen des Überflüssigen
- 04.12.2016: Unsere Mission heißt kundschaften
- 03.12.2016: Wer die Flamme wach hält, das sind wir
- 02.12.2016: „Alte Kirche lernt von junger Kirche“
- 01.12.2016: Empfang in San Miguelito
- 30.11.2016: Die Sache Jesu braucht Begeisterte
- 29.11.2016: Das Pastoralzentrum Teyocoyani
- 28.11.2016: „Ihr könnt ruhig kommen“
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