Krieg ist wie ein Waldbrand

Tauffeier am vergangenen Sonntag in Goumanda: Einige der Täuflinge sind Kinder von ehemaligen oder noch aktiven „Anti-Balaka“-Rebellen. © Olaf Derenthal

Nein, es herrscht noch kein Friede in der Zentralafrikanischen Republik. Noch lange nicht. Und eines der Pulverfässer bleibt die Basse-Kotto, unsere Präfektur, irgendwo vergessen am südlichen Rand des Landes.

Die Rebellion ist wie ein Waldbrand in der Sommerhitze. Ist eine Feuerstelle nach schwerer Arbeit gelöscht, flackern zwei, drei neue Brandherde an anderer Stelle wieder auf. Die schwer bewaffneten Séléka-Rebellen bekommen immer neue Kalaschnikows, geliefert über dunkle Wege aus dem Sudan, dem Tschad oder dem Kongo, direkt von gegenüber.

Die Gegenbewegung aus dem Volk, die „Anti-Balaka“-Milizen, rüsten teilweise ebenfalls auf – und vor allem: einige der jungen Männer „ritzen“ sich weiter. Mit einem scharfen Messer fügen sie sich kleine blutende Verletzungen zu, auf die sie dann ihr „yoro“ streuen. „Yoro“ bezeichnet im Sango ganz allgemein einen pharmazeutischen oder auch magischen Wirkstoff; das kann eine Tablette Paracetamol sein, das können zerstampfte Heilkräuter sein, das kann aber auch ein Gemisch von Pflanzen sein mit berauschender oder lähmender Wirkung. Drogen eben – untersetzt mit Staub aus menschlichen Knochen.

Zubereitet von einem „marabu“, einem Mann, der die Schwarze Magie beherrscht. Das ist die „Waffe“ der „Anti-Balaka“-Kämpfer. Mit diesem „yoro“ ausgestattet glauben die jungen Leute, dass die Kugeln der Feinde ihnen nichts anhaben können … Was dagegen Wirklichkeit ist: Wer unter dieser „magischen Droge“ steht, gerät rasch in Zorn, zittert am ganzen Körper, ist in Sekundenschnelle zur Gewalt bereit. Ich habe das mehrmals erlebt. Und ehemalige „Anti-Balakas“ sagen mir, dass, wenn sie unter „yoro“ standen, sie niemals einem Muslim die Hand hätten reichen können, geschweige denn einem Séléka-Rebellen.

Wer mit der Kolonialgeschichte Afrikas ein wenig vertraut ist, dem kommt das alles sehr bekannt vor. In den Kämpfen um Unabhängigkeit von europäischen Imperialmächten spielte die Kraft der Magie und der oft trügerische Glaube an sie immer eine große Rolle – auch wenn das viele, viele Todesopfer forderte.

Umgangssprachlich wird dieser Vorgang, den manche „Anti-Balakas“ regelmäßig wiederholen, mit „se faire vacciner“ (französich für „sich impfen lassen“) bezeichnet. Das führt dazu, dass, wenn Du heute jemanden in der Basse-Kotto fragst „Bist Du geimpft?“, niemand mehr an Kinderlähmung oder Tetanus denkt, sondern an die Entscheidung, ob Du auf Seiten der „Balakas“ kämpfst oder nicht.

Es gibt solche, die die Waffen nicht niederlegen und sich kontinuierlich „impfen“. Es gibt aber auch solche, die sagen „Es reicht. Ich mache das nicht mehr“.

So haben in der vergangenen Woche besonnene „Anti-Balakas“ in dem Dorf Ngouala, etwa 15 Kilometer von Mobaye entfernt, sich von einer Gruppe schwer bewaffneter Séléka-Rebellen eben nicht provozieren lassen und somit ein Blutbad verhindert. Vier Tage später habe ich den Ort besucht, bin zum Stützpunkt der Milizen gegangen, habe mich beim Kommandanten bedankt und ihn ermutigt, sich nicht in den Strudel von Rache und Vergeltung hineinziehen zu lassen.

Unter den „Anti-Balakas“ gibt es eben alle Schattierungen: patriotische Freiheitskämpfer, manipulierte Mitläufer, aber auch gewissenlose Mörder.

All dies ist eine enorme pastorale Herausforderung, nicht so sehr in der Stadt Mobaye, sondern vor allem in den vielen kleinen Außenstationen, die zu unserer Pfarrei gehören. Wie eben das Dorf Ngouala. Ein Teil auch unserer Christen hat sich dem Ritus des „Impfens“ unterzogen, einige von ihnen haben sich sogar aktiv an den Kämpfen beteiligt. Widerstand gegen Rebellen ist legitim, Notwehr erst recht. Aber wenn aus der anfänglichen Entschlossenheit, sein Land zu verteidigen, allmählich marodierende Räuberbanden entstehen, dann hat das keine Berechtigung mehr.

Deshalb haben wir in den ersten Monaten des Jahres viele Gruppen-Wochenenden in der Pfarrei organisiert, um unseren Leuten zu zeigen, dass für einen Christen der Weg der Gewalt und Gegengewalt keine Option ist. Jetzt sind wir mittlerweile jede Woche zu Fuß zwei, drei Tage auf dem Land unterwegs, um unsere Außenstationen zu besuchen, um Gottesdienst zu feiern und um immer wieder die Geschichte von Kain und Abel in Erinnerung zu rufen:

„Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder? Er entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? Der Herr sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders erhebt seine Stimme und schreit zu mir vom Erdboden.“ (Gen 4,9f)

Von Olaf Derenthal

Olaf Derenthal, Spiritaner, Missionar und Krankenpfleger, lebt und arbeitet seit Oktober 2016 in der Zentralafrikanischen Republik. Mit zwei Mitbrüdern begleitet er die junge Kirche in der Pfarrei Mobaye und arbeitet als Koordinator für Gesundheitsprojekte der Diözese Alindao. Wegen zunehmender Konflikte zwischen den Rebellen dort ist er mit seinen Mitbrüdern vorübergehend in den benachbarten Kongo geflohen. Hier finden Sie Auszüge aus seinem Blog.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert