Relativ starke Regenfälle, was zur Regenzeit dazugehört, haben die Erdpisten von und nach Esmoraca wieder fast unpassierbar gemacht. Reisen mit dem Bus wird zu einem Abenteuer, vor vollen Flüssen müssen Reisende oft lange warten bei spärlicher Verpflegung.
Nun, im Pfarrhaus begann das Fest Mariä Lichtmess bei strömendem Regen zunächst mit einem freudigen Ereignis. Franz Miguel, mit Spitznamen „Monster“, feierte seinen 17. Geburtstag. Bei ihm Zuhause war niemand, also das Ganze im Pfarrhaus. Dass es überhaupt zur Feier kam, ist wohl einem Schutzengel zu verdanken: Noch in Deutschland erreichten mich per WhatsApp erschreckende Fotos, die ihn nach einem Motorradunfall in einem erbärmlichen Zustand zeigten. Ein Arzt in Mojinete hatte ihn dann aber wieder im Gesicht soweit zusammengenäht.
Beim Tortenessen berichtete uns Miguel, wie er kürzlich für die sonst zweieinhalb Stunden Fahrt von Villazon nach Esmoraca zwei Tage gebraucht hatte. Dann ging es zum Fluss, um zu entscheiden, ob wir zum Festgottesdienst zur 60 Kilometer entfernten Mine „Candelaria“ fahren können. Zwei Flussdurchquerungen und steile Bergauffahrten wären angestanden.
Drei der größeren Ministranten durchquerten den Fluss bis zu den Oberschenkeln im Wasser und fanden auf der gegenüberliegenden Flussseite zum Rausfahren keine Rampe mehr. Der Rest war dann „Chefsache“. Bei aller Opferbereitschaft, so war aus Pfarrers Mund zu hören, der auch im immer noch strömenden Regen stand, wurde der Gottesdienstbesuch abgesagt. Die Minenarbeiter würden traurig sein, aber wir mussten der Realität ins Auge sehen. Am Fluss Chuqui, dem zweiten zu durchquerenden Fluss, hatte sich zudem einen Bus mit vielen Passagieren mit Kindern festgefahren, die es am Nachmittag eventuell zu holen galt. Der Pfarr-Toyota ist in Esmoraca der einzig volleinsatzbare Geländewagen. Zudem hat nur die Pfarrei Benzinvorräte, was eben bei einem „Gringo“ als Pfarrer der Fall ist.
Am Abend sollte eine von einem Hund gebissene Oma noch mit dem Pfarr-Toyota ins Krankenhaus nach Mojinete gefahren werden, was aber wegen erneut einsetzenden Regens nicht möglich war. In Esmoraca waren Arzt und Krankenpflegerin ausgeflogen. Am Sonntagmorgen holte ich dann zusammen mit dem Ortsvorsteher die Fahrterlaubnis für den Krankenwagen ein – Esmoraca hat ja einen – spendierte das Benzin, organisierte einen Fahrer, gab allen im Krankenwagen den Segen und „ab ging die Post“.
Damit war der Vormittag gelaufen mit Dingen, die nicht unbedingt zu meiner Kernkompetenz gehören. Bei gutem Wetter hätte ich die Oma ja kurz und bündig nach Mojinete ins Krankenhaus gefahren. Aber derzeit ist jede Fahrt schon ein größeres Risiko.
Also, ich bin wieder ganz in meinem Element … und versuche unter den geschilderten Bedingungen auch Seelsorger einer „samaritanischen und missionarischen” Pfarrei zu sein – das Pastoralprogramm der Diözese Potosí. Ersteres war mir ja wieder gelungen.
Vor zwei Wochen war ich noch auf Heimaturlaub in Deutschland gewesen, jetzt hängt der Brotkorb wieder höher und Asphaltstraßen sind Träume.
Von Pfarrer Dietmar Krämer
Dietmar Krämer aus dem Erzbistum Freiburg ist seit mehr als 20 Jahren Priester in der Diözese Potosí in Bolivien. Seit 2008 ist er Pfarrer der Gemeinde „San Fransisco de Asis“ in Esmoraca und Mojinete. Zuvor war er acht Jahre lang Priester in Brasilien.