Was ist uns die Weltkirche „wert“?

Die Diözese Rottenburg Stuttgart stellt 1967 Gelder für weltkirchliche Projekte bereit. Eine Konsequenz des Zweiten Vatikanischen Konzils. Doch Kirchenaustritte und die demographische Situation der Kirchenmitglieder hatten seither teils dramatische Auswirkungen auf die Finanzierung.

Bischof Carl Joseph Leiprecht kam verändert vom Zweiten Vatikanischen Konzil zurück in seine Diözese: weiter, offener und mutiger, motivierter für die aktuelle Zeit und die Menschen mitten darin: Aggiornamento war nicht nur ein deutlicher Fingerzeig Johannes‘ XXIII., nicht nur eine Überschrift für den Weg der Kirche zu den Menschen und mit den Menschen in der je gegenwärtigen Zeit, Aggiornamento war ihm Motivationsfeder geworden für die Menschen in der Zeit und in der weiten Welt.

Auf dem Konzil waren ihm Bischöfe anderer Hautfarbe und Sprache, anderer Kulturen und Traditionen, auch Glaubensrealisationen begegnet und zu Freunden geworden. Er erkannte, dass wir uns weltweit gegenseitig brauchen und die Ärmeren, vielfältig Benachteiligten unsere konkrete Unterstützung.

Bischof Leiprecht schaffte es zusammen mit Generalvikar Eberhard Mühlbacher, diese Öffnung der Wahrnehmung und der Hände, seine Motivation, über den Kirchturm hinauszublicken, in die Diözese und Kirchengemeinden zu tragen, die Diözesanen weltwärts zu bewegen.

Grafik zu Ausgaben in der Weltkirche. © Diözese Rottenburg-Stuttgart

Bereits 1967 wurde im Diözesanhaushalt ein Posten für die Weltkirche verankert: 102.258 Euro. Und dieser Ansatz wurde kontinuierlich erhöht auf 10.638.764 Euro im Jahr 1998: Das kleine Korn des Bischofs, in den offenbar fruchtbaren Acker der Diözese geworfen, brachte in 30 Jahren gut hundertfach Frucht. Nimmt man die Mittel hinzu, die seit 1970 solidarisch in den Haushalt des Verbandes der Diözesen für weltkirchliche Aufgaben eingespeist wurden, so wurden 1998 aus Kirchensteuermitteln 17.521.416 Euro für die weltweite Kirche zur Verfügung gestellt. Die Startmittel von 1967 wurden also sogar um den Faktor 170 angehoben und machten nun nicht mehr nur 0,1 Prozent des verfügbaren Kirchensteueraufkommens aus: 1998 flossen 5,4 Cent jedes Euro in der Diözese verteilbarer Kirchensteuer in die „Dritte Welt“. Dazu kamen noch 12.946.860 Euro Kollekten für weltkirchliche Aufgaben und eine nicht bezifferbare Summe, die Gemeindemitglieder für kirchengemeindliche Aktionen und Projekte sammeln.

Ab 1998 ging die Kirchensteuer zurück. Es wurde deutlich, dass sich die Faktoren Konjunktur, Kirchenaustritt und demographische Entwicklung der Kirchenmitglieder gravierend auf die Hauptfinanzierungsquelle der Diözese so auswirken, dass der Diözesanhaushalt strukturell abgesenkt und gleichzeitig Rücklagen gebildet werden mussten.

Der Diözesanhaushalt wurde zunächst mit gleichmäßigen Reduzierungen aller Bereiche abgesenkt (1999-2004), dann entlang definierter Prioritäten und Posterioritäten (2005-2015). Die Kürzungen über alle Bereiche wirkten sich auch auf die Mittel der Hauptabteilung Weltkirche aus: Sie gingen von 1999 bis 2004 um rund 34 Prozent zurück. Gleichzeitig entschied sich der Verband der Diözesen Deutschlands für einen Reduzierungsprozess mit Absenkungen der Verbandsleistungen der Diözesen. Auch dieser betraf den Bereich der weltkirchlichen Aufgaben.

In der Summe verminderten sich die weltkirchlichen Ausgaben der Diözese bis 2012 auf die seit 1985 niedrigste Summe von 10.764.456 Euro oder 2,6 Prozent der verfügbaren Kirchensteuer. Das heißt der Anteil hatte sich gegenüber 1998 halbiert.

Die Konsolidierungsmaßnahmen der Diözese zeigten Wirkung und der weltkirchliche Ansatz konnte hinsichtlich der personellen Ressourcen in der Hauptabteilung Weltkirche und des Mitteleinsatzes wieder gesteigert werden: Seit 2013 wurden aus den Jahresüberschüssen des Diözesanhaushalts zusätzlich 25.359.967 Euro zur Verfügung gestellt. Insbesondere mit Blick auf die Menschen auf der Flucht und die Notwendigkeit, ihre Heimatsituationen zu verbessern.

Darüber hinaus wurde zur langfristigen Absicherung des weltkirchlichen Engagements der Diözese 2008 die „Stiftung Weltkirche“ gegründet, deren Grundstockvermögen sich, durch den Jahresüberschuss des Diözesanhaushalts 2016 um 3.000.000 Euro erhöht, inzwischen auf 6.207.244 Euro beziffert.

In der Summe haben wir 2017 wieder 15.867.044 Euro Eine-Welt-Ausgaben erreicht,  das sind drei Prozent der verfügbaren Kirchensteuermittel. Über diese Entwicklungen hinweg blieben die Kollektenspenden für weltkirchliche Zwecke seit den 1990er Jahren bemerkenswert stabil bei rund 6,25 Euro pro Kirchenmitglied oder durchschnittlich 12.400.000 Euro im Jahr. Seit 1967 war uns Diözesanen die Weltkirche über 1,037 Milliarden Euro „wert“.

Dies alles beschreibt nur die finanzielle Dimension. Dahinter steht immer noch die ursprüngliche Motivation von Bischof Leiprecht – auch wenn sich die weltkirchliche Arbeit in den vergangenen 50 Jahren deutlich gewandelt hat – und Menschen, die Kirchensteuer zahlen und spenden. Ihnen herzlichen Dank!

Von Prälat Dr. theol. Clemens Stroppel

Prälat Dr. theol. Clemens Stroppel ist seit 6. Januar 2005 Generalvikar der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Der Kommentar erscheint in der Oktober-Ausgabe des Magazins DRS-Global der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

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